Freitag, 10. April 2015
Barragoon
Puristen fassen im Bereich der Strategiespiele für zwei Personen nur Bauern und Damen an, die kennen auch nur quadratische aus 64 Feldern bestehende Bretter, die für sie die Welt bedeuten, auf die sie höchstens einmal Reiskörner legen, um die schöne Entstehungslegende zu dokumentieren. Nach ihr soll der Erfinder zur Belohnung die jeweilige Verdoppelung der Körner verlangt haben, danach ist man schon am Ende der zweiten Reihe bei fast 33.000 Körnern angelangt. Alle addiert, ergeben letztendlich eine zwanzigstellige Zahl, so viele Körner, dass damit die gesamte Erdoberfläche bedeckt werden könnte.
Aus Oberhaching wird mit BARRAGOON ein neuer Angriff auf die Schachliebhaber gestartet. Alles ist erst einmal ungewohnt, da kommt der Titel sperrig wie eine Barriere daher, da gibt es kein 8x8-Feld, sondern ein rechteckiges mit 7x9 Feldern. Ja, und dann hat auch jeder der beiden Kontrahenten nur sieben Spielfiguren zur Verfügung. Da die zylinderförmigen Holzsteine alle gleich groß sind, sind deren jeweiligen Besonderheiten ins Oberteil gefräst. Daran wird deutlich, dass je zwei Steine zwei oder vier Felder weit ziehen dürfen, die restlichen drei ziehen entsprechend ihrer Anzahl drei Felder weit. Für alle sieben Spielsteine gilt: Es wird nur geradlinig und nicht diagonal gezogen. Abbiegungen sind nur einmal rechtwinklig und auch die Verringerung der Zugweite ist maximal um ein Feld möglich. Bei einem verkürzten Zug darf übrigens nicht geschlagen werden. Wie beim klassischen Vorbild stehen sich die Figuren nach fester Startaufstellung jeweils in beiden Grundreihen gegenüber. Hinten 3er und 4er Steine, in der Reihe davor die beiden 2er- und ein 3er-Stein.
Die große Besonderheit sind die, anfangs mit einem X gekennzeichneten, acht schwarzen Würfel, die auf den mittleren drei Reihen in der Startsituation liegen. Das sind Barrieresteine, die dem Spiel seinen Namen und den ganz besonderen Pfiff geben. Die Würfelform lässt nämlich sechs unterschiedliche Funktionen zu. In der Anfangssituation ist es die klassische Blockade, dann gibt es Pfeile, die nur einen Weg oder zwei Wege sowie eine Rechts- oder Linkskurve zulassen, schließlich befindet sich auf der Rückseite des Blockadekreuzes ein multifunktionaler Kreisverkehr, bei dem alle Abbiegungsmöglichkeit erlaubt sind, allerdings kein gerader Zug. Im Prinzip können alle Steine von allen Figuren geschlagen werden, nur für den letzten Stein braucht es mindestens einen 3er-Zylinder.
Wird ein Barragoon geschlagen, darf er an beliebiger Stelle mit beliebiger Funktion neu ins Spiel gebracht werden. Bei einem geschlagenen Spielstein, kommen gleich zwei Barragoone neu ins Spiel. Dabei erhält auch der Spieler, der den Verlust erleiden musste, als kleine Entschädigung einen der Steine. Er erhält dabei sogar noch einen Zugvorteil, indem er als erster den Barragoon einsetzen darf. Deshalb stehen neben den acht Ausgangssteinen weitere 24 schwarze Würfel zur Verfügung. Das Spiel endet, sobald ein Spieler keine Steine mehr hat oder nicht mehr ziehen kann. Auch ein Remis ist möglich, wenn restliche Steine so von Barragoonen umzingelt sind, das nur noch effektlose Bewegungen stattfinden.
Das Material ist solide: Wertige Holzsteine, Pappbrett mit aufgedruckter Startaufstellung, gute Regel, die keine Fragen offen lässt. Die Nutzung der Barragoone ist anfangs gewöhnungsbedürftig. Man muss sich klar machen, dass sie alle in gewisser Hinsicht blockieren, da sie nicht nur die Weiterfahrt regeln, sondern damit meist auch Hinfahrt. Damit lassen sich Türen öffnen, andere wieder schließen. Die Frage, die Anfänger oft stellen, warum reiche denn nicht die reine Blockadefunktion, erübrigt sich nach den ersten Zügen. Sieht man seinen 2er-Stein von einem gegnerischen 3er-Stein bedroht, muss man nicht wegziehen, sondern kann durch Schlagen und Einsetzen eines Barragoon-Würfels den Gegner nach rechts oder links lotsen oder den Weg vor ihm zu einer Einbahnstraße machen und damit die Bedrohung für ihn erhöhen. Die Vielfalt von Möglichkeiten, die sich durch den geschickten Einsatz der Barragoone ergeben, macht den besonderen Reiz aus, aber auch erforderlich, dass es Eingewöhnungsrunden gibt, damit die Partner die Untiefen nutzen und erkennen können. Dann sind wir auch in der Situation, in der die Runden mindestens 60 Minuten dauern, bis dann meist ein Blockadeende eintritt.
Ob es BARRAGOON je zur Legendenbildung schaffen wird, darf bezweifelt werden. Schachliebhaber machen aber einen Fehler, wenn sie die Hände von diesem Spiel lassen. Das Autorenduo Robert Witter und Frank Warneke sollte übrigens einmal überlegen, wie viele Reiskörner ihnen bei ihren 7x9 Feldern durch das eine fehlende Feld entgehen!
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: BARRAGOON
Verlag: WiWa Spiele
Autoren: Robert Witter und Frank Warneke
Spieleranzahl: 2
Alter: ab 8 Jahren
Dauer: mindestens 60 Minuten, manchmal 2 Stunden (gleichwertige Gegner vorausgesetzt)
Preis: 30 Euro
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