SAMMELSURIUM
E-Serie von F.X. Schmid
Die bei Spielesammlern bekanntesten Spiele aus dem F.X. Schmid Verlag sind die Spiele der E-Reihe. Das „E“ steht für Erwachsenenspiele, die Serie erschien in den Jahren 1973/74. Die E-Serie war die Antwort aus Prien auf die Casino-Reihe von Ravensburger und die 3M-Serie. Die Spieleschachteln ähnelten aber nur den Buchschubern von 3M. Im Grunde genommen waren es einfache Stülpschachteln mit durchaus edler Innenverkleidung.
Die am meisten gesuchten Spiele dieser Serie sind: TRADE, SAMURAI, PAGODE und SNIFF. Mit LASKA hatte der Verlag einen Klassiker im Programm, der von einem ehemaligen Schachweltmeister stammte.
Die Firma war älter als Ravensburger. Franz Xaver Schmidt gründete den Verlag 1860 in München. Anfangs wurden nur Spielwaren und Karten produziert, nach dem Zweiten Weltkrieg, das Unternehmen war inzwischen in Prien am Chiemsee ansässig, kamen auch Brettspiele und Puzzles dazu. 1997 übernahm Ravensburger die Firma, labelte bis 2000 noch Produkte unter FX, stellte dann aber die Spiele ein.
CARAMBA
F.X. Schmid bezeichnet CARAMBA von Rudolf Ross als spannendes Wettlaufspiel für zwei Spieler. Die ovale Spielplanarena wirkt mit ihren Sperrfeldern wie ein Derivat von MALEFIZ.
Recht gekünstelt wird dieses Duell in eine Art Mafiakampf eingeordnet mit Läufern und Jägern und der geheimen Zuordnung eines Favoriten. Die drei Läufer besitzen deshalb drei verschiedenfarbige Sombreros, der persönliche Favorit wird vorab durch Weglegen der entsprechenden Farbkarte markiert.
Neben den drei Läufern, die auf den Startbereich der eigenen Farbe kommen, spielen jeweils vier Jäger eine Rolle, die mittig auf einem runden Hof starten. Ziel ist ein großer Farbkreis gegenüber den Startfeldern der Läufer, dorthin dürfen nur die Favoriten.
Stop-Felder müssen exakt erreicht werden, Rastplätze schützen kurzfristig vor den Jägern. Die Regeln dieses Lauf- und Schlagspiels sind unnötig kompliziert. So müssen die Stopp-Felder sofort wieder verlassen werden. Gelingt das nicht, gilt die dort stehende Figur als geschlagen. Wer eine 6 würfelt, darf nochmals würfeln, aber nur wenn beide Züge mit Jägern erfolgen. Über eigene Figuren darf man ziehen, aber über fremde nicht. Geschlagene Jäger kommen in ihr Startgebiet zurück, schlagen diese allerdings den falschen Läufer, sind sie aus dem Spiel.
Nur die letzte Regel macht CARAMBA etwas spannend. Das Bluffen spielt wegen der Abhängigkeit von Wurfergebnis leider keine so wichtige Rolle. Wer den gegnerischen Favoriten schlägt, gewinnt das Spiel. Das gilt natürlich auch, wenn es der Favorit bis ins Ziel schafft. Das gelingt aber nur, wenn das Zielfeld mit exaktem Würfelwurf erreicht wird. Wer soweit ist, der wird dann meistens doch noch durch die gegnerischen Jäger abgefangen.
Aus heutiger Sicht bietet dieses glückslastige Würfelspiel kaum Spielvergnügen. Die Umsetzung entspricht der üblichen Qualität der F.X. Schmid Spiele aus den 70ern.
Titel: CARAMBA
Verlag: F.X. Schmid
Autor: Rudolf Ross
Spielerzahl: 2
Alter: o.A.
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 60.- DM
Wertung: Nächsten Monat wieder
Sammelsurium 34 – S34/2021
Mittwoch, 18. August 2021
SPELUNKE
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Wehe wenn die Tussi kommt: SPELUNKE
Tussis, meist minderjährige Girls, mit aufgelegter Kriegsbemalung, engsten bauchfreien Tops, die die ganze Zeit nur an den Kneipengang denken, um ihren Körper der nach Sex lechzenden Öffentlichkeit zu zeigen, sind bei der Partnerwahl recht wählerisch. Zumindest Uwe Rosenberg glaubt, dass Prolls und Kneipenwirte ihre einzigen Kontaktpartner seien. In seiner SPELUNKE tummeln sich neben den Tussis, Kneipenwirten und Prollos noch Hippies, Punkys und Alkis. Ein munteres Völkchen , das im Zigarettendunst und Biermief babylonisch blubbert und brabbelt. Verstehen können sich die meisten, insbesondere die Wirte hören allen brav zu, nur die Tussi ist wählerisch.
Das muntere Kneipenvölkchen stellt die Besetzung für Uwe Rosenberg Gedächtnisspiel SPELUNKE dar. Zwei bis vier Spieler ab 10 Jahren können sich eine gute viertel Stunde damit beschäftigen. Das Interieur ist knapp bemessen, 33 Spielkarten reichen aus. Jeweils sechs von den Kneipenbesuchern und drei Wirte werden verdeckt in drei Reihen ausgelegt. Memorylike dürfen in einem Spielzug die Karten von ihren beiden Enden her abgearbeitet werden. Die Spieler können aber auch darauf verzichten und sich dafür geheim Karten einer Reihe ansehen. Die erste aufgedeckte Karte steht immer für denjenigen, der das Gespräch beginnen soll, die zweite für den Zuhörer. In den Grundregeln des Spiels verstehen sich bis auf die Tussi fast alle miteinander, Wirte und Tussis kommen aber auch miteinander nicht ins Gespräch. Passende Gesprächspaare werden gesammelt, wer am Ende, wenn nichts mehr läuft in der Kneipe, die meisten Pärchen hat, gewinnt das Spiel. Beim Partnerspiel zu viert werden die Ergebnisse der gegenübersitzenden Spieler addiert, dort gibt es auch die Möglichkeit, beim Ansehen einer Kartenreihe dem Partner eine Information zuzuspielen.
SPELUNKE ist einerseits eine übliche MEMO-Variante, die ihre Berechtigung erhält durch die vielfältigen Kombinationsmöglichkeiten und die zusätzliche Informationsgewinnung. Die thematische Einbindung trägt etwas zur Spielatmosphäre ein, vom Barhocker reißt sie mich nicht. Aus der Tussi-Regelung entwickelt sich der Spielreiz, aber auch manchmal ein arg beschleunigtes Spielende, weil die Tussis frühzeitig den Kommunikationsfluss in der ganzen Kneipe lahm legen. Mit vielen Sonderregeln versucht der Autor das Ganze für Fortgeschrittene Spielunkenbesucher noch etwas aufzupeppen, ob er damit mehr Tussis und Alkis hinter dem Ofen hervorholt, wage ich zu bezweifeln, vielleicht geht es vielen dann so wie den Tussis, wenn sie auf Alkis treffen: Sie verlassen fluchtartig die Kneipe.
Titel: SPELUNKE
Autor: Uwe Rosenberg
Grafik: Maike Janssen
Verlag: Lookout Games
Spieler: 2 bis 4
Alter: ab 10 Jahren
Dauer: ca. 15 Minuten
Preis: ca. 8 Euro
Spiel 24/2006 R1139/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 4 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächsten Monat wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Seinen ersten Erfolg fuhr Rosenberg als junger Autor mit dem zweiten Platz für MILLENIUM 1991 im Hippodice Wettbewerb ein. Das Spiel erschien unter der Ägide von Peter Gehrmann 1992 als TIMES bei Salagames. Dort veröffentlichte der Redaktionsleiter außerdem noch die Idee MARLOWE von Uwe Rosenberg. Danach ergab sich die ertragreiche Kooperation mit Amigo.
BOHNANZA (1997) war dann sein erster ganz großer Erfolg, das Spiel landete nicht nur auf der Auswahlliste der Jury Spiel des Jahres. Es gewann den À la Carte-Preis der Fairplay 1997 und erreichte den fünften Platz beim Deutschen Spielepreis.
Der auch internationale Siegeszug setzte sich aber erst danach in Gang. Seit 23 Jahren schon liefert Amigo Gartenbohnen, Saubohnen und auch die ein oder andere Blaue Bohne in unendlich vielen gelben Schachteln aus. Keiner hat mehr so den rechten Überblick, was da alles in rosenbergscher Gartenerde inzwischen herangezüchtet wurde. Das klassische Saatgut wurde vielfach gemendelt und gegendert, musste sich gegen die Bohnenmafia wehren, trat Seereisen an, gelangte in den Wilden Westen und kämpfte sich in BOHNRÖSCHEN durch Rankenwerke.
Nach seinem Studium der Statistik gründete Uwe Rosenberg 2000 zusammen mit Hanno Girke und Marcel-André Casasola Merke den Lookout Spieleverlag. Er behielt aber im Gegensatz zu Klaus Teuber, der sich an Kosmos band, seine Unabhängigkeit und veröffentlichte weiter Spiele bei vielen Verlagen, so das Zweipersonenspiel BABEL 2001 bei Kosmos oder 2004 YELLOWSTONE PARK bei Amigo. SCHÄTZBOLD erschien 2004 bei Lookout.
Die großen Erfolge mit komplexen Aufbauspielen wie in AGRICOLA gönnte er aber Lookout Games.
Auch in der Folgezeit unterstützte er Neugründungen von Verlagen, so Feuerland und die Edition Spielwiese. Ganz aktuell hat er auch die Wyrmgold GmbH mit angeschoben und dem jungen Verlag ROBIN VON LOCKSLEY spendiert.
Auf dem Bild ist der 29jährige Uwe Rosenberg 1999 in Essen mit seinem damaligen Gesamtprogramm zu sehen.
Dienstag, 17. August 2021
SOCKS IN THE CITY
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Schuss in die Socke: SOCKS IN THE CITY
Wenn Günter Cornett eine Sache anpackt, dann hat sie meist Hand und Fuß, diesmal sorgt er sogar für ganz besonders warme Füße. Dafür verpackt er sein neuestes Produkt SOCKS IN THE CITY in eine rote Socke. Kein Wunder, Cornett ist Berliner und zumindest er wird sich noch an Pfarrer Hintzes Kampagne erinnern. Deshalb bleibt der Autor auch thematisch bei der Bundeshauptstadt und liefert uns 20 Stadtansichten Berlins. Wieso wir allerdings die Straße Unter den Linden und alle anderen Sehenswürdigkeiten in der Spielplanauslage gleich viermal vorfinden müssen, weiß nur die Socke. Vielleicht sind dem Autor aber auch einfach nur die Anglizismen ausgegangen, ein Ausländer wird es schwer haben, wenn er nach Berlin kommt und den Nicehill sucht, den Palast der Republik, der gerade entsorgt wird.
Witzig an dem Spiel ist neben der Verpackung wahrscheinlich nur die Ausgangsgeschichte. Die verschwundene Socke, nach der wohl jeder schon gesucht hat. Cornett bringt die Pärchen wieder zusammen. Auf dem Berliner Spielplan der aus 20 vierteiligen Hexfeldern zusammen gesetzt wird, werden sechs Sockenpaare weiträumig verteilt. Da kommt die eine rote Socke auf den Anhalter Bahnhof (Hitchhikers Station), die andere – mindestens sechs Felder entfernt – zum Brandenburger Tor (Border Avenue), sie kann natürlich auch auf einem der weiteren drei Anhalter Bahnhöfe liegen. Entsprechend werden die restlichen 10 Socken verteilt. Die Hexfeder stellen U- oder S-Bahnstationen dar mit jeweils drei Verbindungskreuzungen, jeweils eine Verbindung ist auf den zusammenhängenden Viererplättchen fest vorgegeben. Spielziel ist es, durch Legen von Holzstäbchen die Verbindung der gleichfarbigen Socken herzustellen. Dafür gibt es am Ende Punkte, zwar nicht für die Länge der Verbindungsstrecke, aber für den Felderabstand der Stationen, auf denen passende Socken liegen. Gespielt wird zu zweit mit jeweils vierzig Stäbchen, auf einem gewöhnungsbedürftigen Spielplan.
Dieses sich immer wiederholende Berlingewirr ist nicht jedermanns Sache.
Das Spiel selbst spielt sich flott dahin, ist auch nicht schlecht, kein Wunder, ist es doch eine Lightausgabe von TRANS AMERICA. Trotzdem bleibt ein schales Gefühl, mehr Gag als Spiel – ein Schuss in die Socke wohl.
Titel SOCKS IN THE CITY
Autor Günter Cornett
Verlag Bambus Spiele
2 Spieler
ab 10 Jahren
ca. 20 Minuten
Spiel 23/2006 R138/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 4 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächsten Monat wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der 1960 in Flensburg geborene Günter Cornett lebt schon seit fast 40 Jahren in Berlin. Als Spieleautor fiel er erstmalig 1992 durch eine Platzierung seiner Idee AUTOSCOOTER unter den besten zehn Spielen beim Hippodice Wettbewerb auf. Ein Spiel, das er 1999 selbst herausgab. Dafür hatte er schon 1995 den Bambus-Spieleverlag gegründet, mit dem er mit dem hier schon vorgestellten FLASCHENTEUFEL startete. 1995 erschien zusätzlich mit CANALETTO (Hans im Glück) sein erstes Spiel in einem Fremdverlag.
Der Vorläufer von KAHUNA erschien 1997 als ARABANA IKIBITI im Eigenverlag. 2002 erschien beim Bambus-Verlag ein ähnliches Spiel für 2 bis 4 Spieler als KANALAO. Dieses Spiel wurde für den Gamers Choice Award 2002 nominiert. Schon 2001 erschien in Cornetts Verlag eine Mehrspielervariante als ARABANA-OPODOPO, die Tilsit 2003 unter dem Titel KANALOA veröffentlichte.
KAHUNA war neben dem 2005 erschienenen PACKEIS AM POL Cornetts erfolgreichstes Spiel. Er landete damit auf der Auswahlliste der Jury „Spiel des Jahres“ und erreichte den 6. Platz beim À la Carte-Kartenspielpreis der Fairplay. In Frankreich gewann er 2000 mit dem Spiel den As d’Or.
Mit SOCKS IN THE CITY konnte er keine großen Preise gewinnen.
Das Bild zeigt Cornett 2005 in Göttingen.
Dienstag, 3. August 2021
H2OLLAND
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Im Märzen der Bauer ...
Wacklige Windmühlen in H2OLLAND
Zumindest für das Cover gebührt CardChess Lob. H2OLLAND, das gemeinsame Spiel des Kanadiers Jeff Widderich und des Holländers Richard van Vugt fängt so ziemlich alles ein, was wir mit unserem Nachbarland verbinden. Windmühlen, Tulpen, Kanäle, vielleicht fehlt uns Deutschen nur Antje. Das Schachtelgemälde fängt diese Stimmung wunderschön kitschig ein, „zu Ehren einer Nation“, wie es in der Spielregel aufgesetzt nationalistisch heißt. Wohlgemerkt, es geht nicht um Fußball, sondern um eine idyllische Landschaft rund um einen See und die Holländer tun das, was sie seit Jahrhunderten gut verstehen, sie deichen ein, sie legen trocken und pflanzen Tulpen. Um das alles machen zu können, haben die beiden Autoren eine große quadratische Spieleschachtel proppenvoll gepackt, zumindest das hat alles Gewicht, wenn es auch spielerisch am Ende eher leichtgewichtig scheint.
Zu Spielbeginn erhält jeder Spieler eine Scheunenkarte zum Ablegen seiner Vorräte, gleichzeitig ist diese Karte Preistafel und Entwicklungsübersicht für den Tulpenanbau. Geld scheint in H2OLLAND verpönt, es herrscht Tauschwirtschaft, für Karotten, Bohnen und Kühe rückt der Bankverwalter, „Leiter der Kooperative“ heißt er im Spiel, eine Mühle raus. Mit zwei Bauernhöfen und zwei Windmühlen starten die Spieler aber schon, die Ausgangsdörfer am Rande des großen Sees werden mit jeweils einem Gebäude ausgestattet, die beiden anderen kommen in die Scheune (!). Zusätzlich erhält jeder einmal die Produktionspalette, die das Spiel bietet: Kühe, Mais, Bohnen, Karotten und Kartoffeln. Da es um naturnahen Anbau geht, sucht man natürlich die holländischen Tomaten vergeblich. Zum Start werden noch Wetterkarten bereit gelegt, die im Herbst wirksam werden, der Startspieler erhält einen gelben holländischen Holzschuh, den Klompen.
Das Spiel verläuft in Jahreszeiten, reihum dürfen die Spieler immer wieder einmal agieren, erst wenn alle gepasst haben, wechselt die Jahreszeit. Klar, im Märzen der Bauer sein Land bebaut. Daneben finden im Frühjahr weitere Bautätigkeiten statt, in dieser Jahreszeit dürfen weitere Bauernhöfe und Windmühlen erstellt werden. Dabei sind unendlich viele Legeregeln zu beachten. Ich dachte, wir Deutschen seien regelwütig, die holländisch-kanadische Perfektion übertrifft aber alles. Beispiel zu den Windmühlen gefällig:
„... Windmühlen dürfen nicht auf Kuh-, Feldfrucht- oder Tulpenfelder gestellt werden. ...
Windmühlen können neben einem Bauernhof oder neben einer anderen Windmühle desselben Spielers gebaut werden.
Windmühlen dürfen auch neben ein Kuh- oder Feldfruchtplättchen gestellt werden, das mit einem Bauernhof oder einer anderen Windmühle dieses Spielers verbunden ist.
Windmühlen können neben einem Tulpenfeld erbaut werden, das mit einem Arbeiter der eigenen Farbe besetzt ist (‚die Arbeiter’ siehe weiter unten).
Windmühlen dürfen nicht in die Schutzzonen eines anderen Spielers gesetzt werden.“
Verstanden? Wenn Sie dann noch die überdimensionierten Windmühlen sähen, dann würden Sie am liebsten ganz auf den Windmühlenbau verzichten. Denn, stehen die Dinger einmal, müssen schon Uhrmacher ans Werk, um die restlichen Auslagen ohne umstürzende Windmühlen hinzubekommen. Gebaut werden müssen Sie aber, denn sonst klappt es nicht mit der Entwässerung des Windmühlensees.
Das Grundprinzip ist klar, geregelt wird alles, auch die Platzierung der Bauernhöfe, der Feldfrüchte, der Kuhweiden und der Tulpenfelder. Apropos Tulpenfelder, da war doch die Rede von Arbeitern. Für jedes Tulpenfeld gibt es von der Kooperative einen Arbeiter, der für das Tulpenrennen am Ende von großer Bedeutung ist. Achtung! Auch wenn wir uns hier scheinbar in der Simulation eines landwirtschaftlichen Produktionsprozesses befinden, am Ende wird nur gerannt und der Tulpenlauf entscheidet über den Spielsieg.
Kommen wir zum Sommer. Das Wasser wird knapper, die beste Zeit zum Trockenlegen des Mühlenteichs. Dazu werden Dämme gebaut, das Land wird eingedeicht. Neuland wird aber nur gewonnen, wenn das Wassergebiet aus maximal vier Feldern besteht und zur Entwässerung eine Windmühle bereit steht. Für die Trockenlegung gibt’s pro beteiligter Mühle ein Tulpenplättchen, dessen Wert sich an der Anzahl der errichteten Windmühlen orientiert. Im Herbst wird geerntet, wobei die Ergebnisse von den Wettereinflüssen abhängig sind. Überschwemmungen können massiv zuschlagen, seltsamerweise treffen sie nur manche Ernteplättchen, andere, ebenso am Wasser gebaut, bleiben verschont. Fäulnis und Krankheit kann zusätzlich in der Scheune zuschlagen. Bei den meisten Karten verändern sich Einzelergebnisse ins Positive oder Negative. Da keine Tulpen geerntet werden, kommen die Spieler an Tulpenplättchen nur durch die Trockenlegung von Land und durch Handelsaktionen im Winterquartal. Die erworbenen Ressourcen dürfen eingetauscht werden gegen Tulpen, Deichteile, Windmühlen und Bauernhöfe, zusätzlich, leider nicht auf der Scheunenübersicht erkennbar, gibt es noch weitere Tauschmöglichkeiten. Den Handel der Spieler untereinander sieht die Regel leider nicht vor. Am Ende des Winters darf die Zahl von fünf Plättchen einer Plättchensorte nicht überschritten sein, ausgenommen sind Windmühlen, Bauernhöfe und Deiche.
Spätestens nach sechs Jahren endet dieser Spielteil, im 2er-Spiel, das auf einer kleineren Spielfläche abläuft, schon nach vier Jahren. Das Ende kann aber schon früher eintreten, dann nämlich, wenn der See trocken gelegt ist. Dann folgt nach der Erntephase der Spielteil, der über Sieg und Niederlage entscheidet. „Tulpenrennen“ nennen die beiden Autoren die Endphase, meines Wissens und nach Auskunft meiner Groninger Freunde keine nationale, sondern doch wohl nur eine spielerische Besonderheit. Vor dem Rennen werden die Scheunen leer geräumt, alles wird noch in Tulpenfelder und Windmühlen eingetauscht und sofort auf dem Spielfeld platziert. Die Arbeiter kommen nun von den Tulpenfeldern direkt in die Startdörfer der Spieler, von dort dürfen sie jetzt punkteträchtig neu platziert werden. Ein richtiges Rennen findet im eigentlichen Sinne nicht statt, sondern ein Gerangel um die am besten zu belegenden Plätze. Dabei sind die Punktwerte der Tulpenfelder zu beachten, die vom roten Tulpenfeld für einen Punkt bis zum purpurnen mit sechs Punkten reichen. Und nicht nur das, Widderich und Vugt lassen sich die Gelegenheit nicht entgehen, um wieder viel und vielschichtig das Setzen der Arbeiter zu regeln. Die Spieler beginnen angrenzend zu einer beliebigen eigenen Windmühle mit dem Einsetzen ihrer Arbeiter. Weitere müssen neben den zuvor gesetzten Arbeiter platziert werden, also eventuell auch nicht auf ein Tulpenfeld, so dass eine Arbeiterkette zum nächsten lukrativen Feld führen kann, oder ein neues eigenes Windmühlenfeld wird als neuer Ausgangspunkt genommen. Sind alle Arbeiter gesetzt oder alle Tulpenfelder belegt, wird abgerechnet und der Punktbeste steht nach gut zwei Stunden als Spielsieger fest.
Eindrücke, die bleiben: Eine unübersichtliche Farborgie, ein überreguliertes Spiel, eine stinkende Materialflut, die nur mit Mühe wieder in der Schachtel unterzubringen ist (entsorgen Sie gleich den unnötigen Plastikeinsatz), kippende Windmühlen. Das tolle Cover wiegt wenig auf. Dabei sind die Grundideen des Spiels gar nicht schlecht, Ressourcenentwicklung über Landgewinnung, strategische Anbauplanung in Hinblick auf das Endspiel. Warum musste das Ganze aber so überreguliert werden? Warum wurde es nicht abgespeckt? So holt man wahrscheinlich nicht einmal die Holländer hinter ihren Deichen hervor.
Titel: H2OLLAND
Autoren: Jeff Widderich und Richard van Vugt
Grafik: Richard van Vugt
Verlag: CardChess
Spieler: 2 - 4 Spieler
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 90 Minuten
Spiel 15/2006 R128/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 4 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächsten Monat wieder
Zu den Autoren:
Der Kanadier Jeff Widerich gründete 2001 für sein Spiel CARDCHESS den gleichnamigen Verlag. Dort erschienen Spiele wie KREUZWORT PYRAMIDEN, KÄSE, MÄUSE CHAOS und POMPEJI. H2OLLAND ist davon das einzige Spiel, das er mit einem Partner veröffentlicht hat. Richard van Vugt war als Holländer prädestiniert dafür.
Der Autor und Rezensent (Gamepack.nl, spielbox u.a.) ist leider schon 2016 im Alter von 63 Jahren verstorben. Das Bild zeigt ihn bei der Präsentation des Spiels 2005 in Essen.
Das Foto von Jeff Widderich stammt von der Spielwarenmesse in Nürnberg 2004.
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