Samstag, 31. Oktober 2020
ANDROMEDA
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Fliegender Aschenbecher im All
Zum Jahrtausendwechsel boomen Science Fiction-Spiele. Marssonden, die nicht funktionieren, gibt es in den spielerischen Szenarien natürlich nicht, der unendliche Raum öffnet sich hauptsächlich für Weltraumdeals.
Spätestens seit dem Erfolg von ELFENLAND ist der in den USA lebende britische Autor Moon auch in Deutschland kein Unbekannter mehr und immer mehr Verlage freuen sich über Veröffentlichungen von ihm. Das gilt auch für den kleinen Verlag Abacus aus Dreieich, der mit ANDROMEDA Teubers STERNENFAHRER VON CATAN Konkurrenz machen will.
In dem Spiel von Moon versuchen drei bis fünf Spieler Wirtschaftszentren im Orbit zu errichten. Raketen suchen wir vergebens, unsere Vorstellungskraft muss schon ausreichen, wenn wir unsere Handelssteinchen von der Erde aus ins All bringen.
Moons ADROMEDA wird nicht durch einen Würfel gesteuert, sondern durch Spielkarten. In einer Handelsphase versuchen die Spieler möglichst viele gleichartige Planetenkarten zu bekommen, die sie in der Aktionsphase dann einsetzen können. Dort kommt dann u.a. ein umgestülpter schwarzer „Aschenbecher“ zum Einsatz, mit dem man versuchen muss, eigene Handelsstationen auf einem Mond unterzubringen, dafür gibt es dann die am Ende entscheidenden Wertungspunkte.
ANDROMEDA bietet einen äußerst originellen und sehr kurzweiligen Ausflug in die galaktische Spielewelt. Das Glück fliegt mit, aber man fühlt sich dem Kartenzufall und Rüttelglück nicht zu sehr ausgesetzt. Leider nicht im Duell spielbar.
Wieland Herold
Titel: ANDROMEDA
Autor: Alan Moon
Grafik: Doris Matthäus
Verlag: Abacus
Spieler: 3 bis5
Alter: ab 10 Jahre
Spieldauer: ca. 60 Minuten
Preis: 49.- DM
Die Rezension erschien 1999 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 16/ 1999 R 138/2020
Zum Autor:
Alan Moon war in den 80er Jahren für Avalon Hill journalistisch tätig, arbeitete auch an der Spielentwicklung für diese Firma und für Parker Brothers. Dem deutschen Publikum wurde er Anfang der 90er Jahre durch den Verlag White Wind bekannt, den er zusammen mit Peter Gehrmann gründete.
In 1000er Auflagen erschienen so Spiele wie ELFENROADS, das später in der Version von Amigo als ELFENLAND Moons erstes „Spiel des Jahres“ wurde. Zwischen 1998 und 2004 war Moon besonders erfolgreich. ANDROMEDA erschien 1999. Mit UNION PACIFIC (1999) und DAS AMULETT (2001) landete er auf der Nominierungsliste. 2004 gelang ihm sein größter Erfolg mit ZUG UM ZUG, zu dem in der Folgezeit verschiedene Varianten und Erweiterungen erschienen sind und immer noch erscheinen.
In dieser erfolgreichen Phase war Moon erster Vorsitzender der Spieleautorenzunft. Das Bild stammt aus einem Gespräch zweier Preisträger in Göttingen aus dem Jahre 2005. Werner Hodel und Alan Moon diskutieren, ob der Mississippi oder die Schiene der bessere Transportweg in den USA sei.
Freitag, 30. Oktober 2020
ARBOS
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Das Baumspiel ARBOS
„Bäumchen-Jenga“ nennen wir es inzwischen liebevoll und holen es seit den Essener Spieletagen immer wieder begeistert hervor, das Baumspiel ARBOS von M + A Spiele. Der Aufforderungscharakter des Spieles ist riesig. Mit ARBOS bekommen Sie garantiert Oma und Opa und alle Enkelkinder an den Spieltisch. Verständnisprobleme bei der Spielregel gibt es nicht: Einmal gesehen, sofort verstanden und immer wieder gespielt!
Unser Ausgangsmaterial ist ein Holzstamm mit Schrägbohrungen, der je nach Schwierigkeitsgrad mehr oder weniger durch einen Holzsockel geschoben wird, so dass unterschiedliche Neigungen des Stammes entstehen. Das restliche Spielmaterial, 16 Äste und 25 Blätter, wird gleichmäßig unter die bis zu acht Spieler aufgeteilt, die stets nur mit einer Hand ein Baumteil in ein beliebiges Loch des wachsenden Baumes stecken müssen. Das ist gar nicht so einfach, da ARBOS sich nicht so ruhig verhält, wie man das hofft. Runtergefallene Blätter oder Äste nehmen die Spieler in ihren Vorrat. Spielsieger ist derjenige, der zuerst alle Teile los geworden ist. Aber Sie werden erleben, dass es meist darum geht, ARBOS wachsen zu sehen und alle Teile unterzubringen. Das Spiel eignet sich gut zur Entwicklung eigener Regeln, einen kleinen Kartenspielsatz zu ARBOS bieten die Autoren inzwischen auch an.
Der kleine Verlag M + A Spiele, der bisher nur durch eine raffinierte Schachvariante auf sich aufmerksam gemacht hat, stellt mit „ARBOS die innovativste 99er-Neuheit im Bereich der Geschicklichkeitsspiele vor, die auch 2000 gute Chancen auf Spielepreise haben dürfte.
Wieland Herold
Titel: ARBOS
Autor: Armin Müller u. Martin Arnold
Grafik: Stephan Kreuzer
Verlag: M + A Spiele, Akazienweg 2, 71686 Remseck, Tel./Fax 07141 / 903462
Spieler: 1 bis 8
Alter: ab 4 Jahre
Spieldauer: ca. 15 Minuten
Preis: 49.- DM
Die Rezension erschien 1999 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 15/ 1999 R 137/2020
Zum Spiel und zu den Autoren:
Armin Müller und Michael Arnold haben ihren Kleinverlag M + A Spiele 1996 mit der Schachvariante TROIA gestartet. ARBOS erhielt 2000 den letzten „Sonderpreis Kinderspiel“, ein Jahr später gab es das „Kinderspiel des Jahres“. Auch wenn die beiden Autoren keinen gleichwertigen Erfolg danach mehr einfahren konnten, gibt es sie immer noch. Sie sind regelmäßig in Essen präsent, haben danach eine Reihe von weiteren Geschicklichkeitsspielen wie SNIP (2002) und NELLY NATTER (2005) erfunden. In Essen knüpften die beiden Autoren 2013 an den Erfolg von ARBOS an und spezifizierten MIT ARBOIS APFEL die Baumart. Neben Ästen und Blättern konnten nun auch Äpfelchen in die Astbohrungen gesteckt werden.
Im Bild sind Müller&Arnold mit ihrem ersten Spiel, dem trojanischen Schach 1996 in Essen zu sehen.
Donnerstag, 29. Oktober 2020
TROJA
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Das Trojanische Spiel: Schach der neuen Generation
Im letzten Jahr war es noch ein Prototyp, den M&A Spiele mit TROJA auf der Spielemesse in Essen vorstellten. In diesem Jahr konnten sie stolz ihre Erstauflage vorweisen. Armin Müller und Martin Arnold, die ihre Initialen in den Verlagsnamen übernommen haben, präsentierten mit TROJA das „Schach der neuen Generation“. Was nach vollmundigen Werbespruch klingt, ist durchaus berechtigt. Ihr Anklang ans Trojanische Pferd vermittelt ganz neue Zugangsweisen zum Schachspiel. Arnold und Müller wollen die Schachgeschichte neu schreiben. Für beide ist das Schachspiel historisch gewachsen, ständig auch Veränderungen unterworfen gewesen. Ihre neue Variation sei nun das I-Tüpfelchen. Im Spiel Troja bleibt die Grundstruktur des Schachspiels erhalten. Wir haben das bekannte 8x8 Feld, der Zugmechanismus ist identisch, alle bekannten Figuren sind vorhanden, sie sehen nur etwas anders aus. Sie haben im Figurenfuß eine Bohrung und am Kopf eine Ausbuchtung. Darauf beruht letztlich die neue Spielidee, denn M+A-Figuren können Huckepack genommen werden, die jeweils obere Figur bestimmt die Zugweise.
Ganze neue Eröffnungen sind plötzlich denkbar. Die weiße Dame, sonst hinter der Bauernlinie eingekeilt, lässt sich vom Königsbauern E2 auf die Schulter nehmen. Sollte der Gegenspieler mit Bauer E7 – E5 reagieren, steht die weiße Dame samt Bauer im Gegenzug auf E5. Mit Ausnahme des Königs können so alle eigenen Figuren beliebig übereinandergesetzt werden. Diese „trojanischen Figuren“ können unbegrenzt wachsen, was allerdings auch das Schlagrisiko erhöht. Beim Ziehen solcher Figurentürme, darf der Spieler entscheiden, wie viele Basisfiguren er jeweils mitnehmen möchte. Schon allein die Nutzung von Doppelfiguren gibt dem Spiel ganz neuen Pfiff, so dass ein Bauer, der einen Turm schultert, plötzlich ganz schnell in gegnerischen Reihen auftauchen kann. Springt der Turm im nächsten Zug wieder ab, ist der Bauer gefährlich präsent und gelangt vielleicht zur Grundlinie des Gegners. In einem solchen Fall, der in dieser Schachvariante viel häufiger vorkommt, gilt für die Bauernumwandlung, daß ausschließlich zuvor geschlagene Figuren wieder ins Spiel gebracht werden können. Reizvoll ist die Huckepackstrategie auch für Läuferfiguren, die so von weißen auf schwarze Felder gelangen können.
Besonders die Rolle der Bauern ändert sich durch TROJA, sie kommen nicht nur schneller auf die Grundlinie des Gegners, ihre normale Zugrichtung wird aufgehoben. So können Bauernfiguren auch auf der eigenen Grundlinie zu stehen kommen oder mehrmals auf die Grundstellung in der zweiten oder siebten Reihe gelangen. Immer dann haben sie erneut die Wahlmöglichkeit, ein oder zwei Felder vorzurücken. Die versteckten Bauern sind die eigentlichen trojanischen Pferde, die schnelle und wirkungsvolle Spielzüge ermöglichen.
Insgesamt haben Armin Müller und Martin Arnold mit TROJA eine geniale Idee ausgetüftelt, von der nicht nur Schachspieler begeistert sind. Sie verkaufen ausschließlich ihre Schachfiguren mit einer siebenseitigen Spielanleitung ohne Brett in unterschiedlicher Verpackung. Die Figuren sind nicht billig, aber die Spielidee ist ihren Preis wert. Für knapp 70.- DM erhält man alle Utensilien in einem Stoffbeutel, zehn DM mehr kostet die Holzkassette, für 90.- DM fertigen die beiden Autoren als Aufbewahrungsbehälter ein hübsches trojanisches Pferd aus stabilem Karton.
Wieland Herold
Spieletelegramm:
Titel: Troja
Verlag: M+A-Spiele, Akazienweg 2, 71686 Remseck
Autor: A. Müller, M. Arnold
Spielerzahl: 2
Alter: ab 8 Jahren
Preis: Stoffbeutel. 69.- DM
Holzkassette 79.- DM
„Trojanisches Pferd“ 89.- DM
Die Rezension erschien 1997 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 18/ 1997 R 136/2020
Zum Spiel und zu den Autoren:
Armin Müller und Michael Arnold haben ihren Kleinverlag M + A Spiele 1996 mit der Schachvariante TROIA gestartet. ARBOS erhielt 2000 den letzten „Sonderpreis Kinderspiel“, ein Jahr später gab es das „Kinderspiel des Jahres“. Auch wenn die beiden Autoren keinen gleichwertigen Erfolg danach mehr einfahren konnten, gibt es sie immer noch. Sie sind regelmäßig in Essen präsent, haben danach eine Reihe von weiteren Geschicklichkeitsspielen wie SNIP (2002) und NELLY NATTER (2005) erfunden. In Essen knüpften die beiden Autoren 2013 an den Erfolg von ARBOS an und spezifizierten MIT ARBOIS APFEL die Baumart. Neben Ästen und Blättern konnten nun auch Äpfelchen in die Astbohrungen gesteckt werden.
Im Bild sind Müller&Arnold mit ihrem ersten Spiel, dem trojanischen Schach 1996 in Essen zu sehen.
Mittwoch, 28. Oktober 2020
SATURN
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
SATURN: Eine Spielidee wird zum Kunstobjekt
Markenzeichen des Theta-Verlages aus Kleinmachnow ist schon seit einigen Jahren, dass außergewöhnliche Spielideen als Kunstobjekte verpackt herausgegeben werden. Ihr Meisterstück haben Michael Sohre und Werner Falkhof, die gleichzeitig Verleger und Spieleautoren sind, mit dem in diesem Jahr erschienenen Spielobjekt SATURN abgeliefert.
Als Raumkunstwerk können Sie sich den Saturn mit seinen Ringen in Ihr Wohnzimmer holen und Sie können auch noch mit ihm spielen.
Um die Saturn-Halbkugel schwanken drei Holzringe mit Lochbohrungen, in die zwei bis vier Spieler Kugeln unterschiedlicher Größe platzieren müssen. SATURN ist letztlich ein Waage-Spiel , bei dem die Spieler abwechselnd ihre Kugeln auf eine beliebige Position auf den Ringen setzen, dabei aber den Ausschlag der Ringe beachten müssen. Setzt einer der Saturnringe auf den Tisch auf, ist der Zug ungültig und die Kugel muss wieder zurückgenommen werden. Sobald ein Spieler alle Kugeln ablegen kann, ist das Spiel beendet. Der Mut zum Risiko wird durch einen speziellen Wertungsmechanismus belohnt, sodass nicht automatisch der Spieler gewinnt, der als erster fertig ist.
Eleganz und Spielreiz verbindet SATURN auf vorbildliche Weise. Mit 120.- DM ist dieses bespielbare Kunstwerk zwar nicht billig, aber allemal seinen Preis wert!
Wieland Herold
Titel: SATURN
Verlag: Theta, Johannistisch 20, 14532 Kleinmachnow
Autor: Michael Sohre, Werner Falkhof
Spielerzahl: 2-4
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 20 Minuten
Preis: ca. 120.- DM
Die Rezension erschien 1997 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 17/ 1997 R 132/2020
Zum Spiel und zu den Autoren:
1993 gründete der Bonner Werner Falkhof, der gerade mit PUSHER reüssierte (Auswahlliste 1993) zusammen mit Michael Sohre den Theta Verlag, der 1995 für Sohres TRI-BA-LANCE mit dem Sonderpreis Schönes Spiel ausgezeichnet wurde und in Frankreich den „Super As D’Or“ erhielt. Sohre war neben Wolfgang Großkopf der erste Spieleautor aus der DDR, der im Westen präsent war. Er war zu DDR-Zeiten Produktionsleiter für die Defa, aber auch schon vor 1989 interessierte sich der ausgebildete Werkzeugmacher für die Spielzeugentwicklung und entwarf Baukastensysteme.
Folgeprodukte wie SATURN, HEADQUARTER und HANDICAP waren weitere herausragende Spiele.
Die Designobjekte von Theta setzten sich leider nie so richtig durch. Zwischenzeitlich übernahm sie ASS, dann stellte die Firma aber ihre Produktion ein.
Seit der Jahrtausendwende experimentierten beide in Kleinmachnow mit einem Material, das zu neuer ästhetischer Qualität im Brettspielbereich führen sollte. Sohre wandte sich vom Holz ab und begab sich auf die Suche nach Möglichkeiten, Kunststoffe zu ersetzen. Ihr Ergebnis nannten sie „THETA-Stone“. Ihr Geheimrezept lässt wie Steinholz eine sehr kurze kalte Aushärtung von nur zwei Stunden zu. In Spielen wie LETTER STONE und einer Neuauflage von MINOTAURUS zeigten sie die Qualitäten des Stoffes.
2011 verstarb Sohre leider viel zu früh mit 62 Jahren, drei Tage vor der Spielemesse in Essen.
Das Bild zeigt Werner Falkhoff und Michael Sohre 2008 in Kleinmachnow mit Materialproben von THETA-Stone.
Dienstag, 27. Oktober 2020
DAS PRESTEL KUNSTSPIEL
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Von Lascaux bis Lichtenstein
Kein Reisespiel, sondern ein lehrreicher Ausflug in die Kunstgeschichte ist das gerade erschienene „Kunstspiel“ von Prestel. Wenn ein renommierter Kunstverlag sich auf das spielerische Parkett begibt, sind die Erwartungen hoch, auch ein Ausrutscher kann leicht geschehen.
Geboten werden die bekannten „100 Meisterwerke“ vom „Schwarzen Stier“, einem Ausschnitt aus den Höhlenmalereien von Lascoux bis zur Pop Art Roy Lichtensteins. Große Bildkarten in guter Reproduktionsqualität entführen uns in recht bekannte Bilderwelten. Zum Glück hat der Verlag bei dem sich um die Bilder rankenden Spiel nicht nur auf das Mittel des Quizspiels zurückgegriffen. Eine Mischung von Spielelementen aus dem Genre bekannter Unterhaltungsspiele á la ACITIVITY oder TABU hat eine kunterbunte Mixtur ergeben, die nicht originär, aber originell ist. Dahinter steckt mit Bertram Kaes auch ein Autor, der durch Spiele wie NOBODY IS PERFECT und DAS NILPFERD AUF DER ACHTERBAHN sich im Genre auskennt.
Drei bis sieben Spieler oder Teams sammeln auf ihrem Ausflug in die Kunstgeschichte acht Belohnungschips auf einer Papp-Palette für das Lösen unterschiedlicher Aufgaben. Jede der sechs Chipfarben muss dabei mindestens einmal vorkommen. Da gilt es, neben Fragen zu den einzelnen Gemälden, wahre von unwahren Behauptungen zu unterscheiden. War Leonardo da Vinci der uneheliche Sohn eines Notars und eines Bauernmädchens? Reizvoll und auf die spielende Gruppe abgestimmt, sind die Rubriken „Gedankenblitze“ und „Spaß mit Kunst“, da geht es nicht mehr um richtig oder falsch, sondern um Übereinstimmungen mit den Spielpartnern bei Begriffsassoziationen. Da müssen Begriffe umschrieben oder Mitspielerreaktionen eingeschätzt werden. Wo würden Sie die Sonnenblumen von van Gogh hinstellen? Hasardeure kommen auch zu ihrem Recht: Zwar etwas unpassend als „Auktion“ bezeichnet, gibt es eine an 17+4 angelehnte Zockerphase, mit der sich auch die Farbpalette ergänzen lässt.
Auch wer wenig Ahnung von Kunst besitzt, kann dieses Spiel gewinnen, und sollte es nicht zum Spielsieg reichen, hat man so ganz nebenbei auf unterhaltsame und spielerische Art viel Neues über Kunst und Künstler erfahren. Ausgestattet mit etwas Phantasie, Kreativität und Einfühlungsvermögen sollte man allerdings sein, wenn man sich in möglichst großer Runde auf DAS PRESTEL KUNSTSPIEL einlässt.
Wieland Herold
Spieletelegramm:
Titel: DAS PRESTEL KUNSTSPIEL
Verlag: Prestel
Autor: Bertram Kaes
Grafik: o.A.
Spielerzahl: 3-7
Alter: ab 10 Jahre
Spieldauer: ca. 60 Minuten
Preis: ca. 70.- DM
Die Rezension erschien 1998 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Spiel 10/ 1998 R 135/2020
Montag, 26. Oktober 2020
TOWERS OF HAMBURG
Der aus Nigeria stammenden Benjamin Soberekon schleppt schon viele Jahre eine Spielidee mit sich herum, eine Reminiszenz an seinen ersten USA-Aufenthalt im Jahre 1983. Angetan vom Empire State Building in New York und vom Sears Tower in Chicago, waren es schließlich die Hamburger Mundsburg-Türme, die seine Idee für ein Hochhausspiel voranbrachten. Wie so oft bei solchen Spieleentwicklungen war das private Umfeld des Autors von Anfang an begeistert. Das Angebot an einen großen Spieleverlag brachte 1987 aber die ernüchternde Ablehnung. Zehn Jahre schmorte die Idee, bis eigenes Kapital und das unterstützungswilliger Freunde zur Kleinverlagsgründung Beson Games (BEnjamin SoberokoN) ausreichte.
Worum geht es in Soberekons taktischen Spiel für zwei Personen? Auf einem 6 mal 6 Felder großen Spielfeld befinden sich abwechselnd schwarze und weiße Spielfelder, die zu Beginn mit entsprechenden Spielsteinen, den Turmbausteinen, bestückt werden. Damit die Türme, die im Laufe des Spiels entstehen, nicht ins Rutschen geraten, besitzen die quadratischen Turmteile in den Ecken vier Zapfen, die in Vertiefungen des Spielbretts und auf der Oberseite der Spielsteine passen. Spielziel ist es, als erster einen sechsstöckigen Turm zu bauen, oder den Gegenspieler so zu blockieren, daß dieser nicht mehr ziehen kann.
Die Zugregeln sind einfach, erlauben aber ein vielschichtiges Spiel. Jeder Spieler bewegt nur die Steine seiner Farbe und zwar erst einmal auf jedes beliebige Feld. Entscheidend ist die Einschränkung, daß der höchste Turm alle fremden Steine sowohl in der waagrechten wie auch senkrechten Reihe blockiert. Diese Steine dürfen nicht mehr gezogen werden, man darf aber auf sie bauen, um mit dem höchsten Turm gleichzuziehen und damit die Blockade aufzuheben. Das geht am Anfang mit den Zweiertürmen recht fix. In die oberen Etagen kommt man aber nur, wenn mindestens zwei gleichhohe niedrigere Türme vorhanden sind. Man benötigt also für einen Viererturm zwei Türme mit drei Etagen, wobei beim Auf- und Abbau ein Vierer- und Zweierturm entstehen. Entsprechend sind für den gewinnträchtigen Sechserturm zwei Türme mit fünf Stockwerken nötig. Diese Siegbedingung zu erreichen, ist gar nicht einfach, häufiger führt die Blockadetaktik zu einem schnelleren Spielgewinn. Das Spiel verlangt eine gute Übersicht. Ein zu schnelles Vorpreschen in die Höhenregionen, führt schnell zur Blockade der restlichen Steine. Einen wesentlichen Vorteil hat man allerdings mit dem höchsten Turm, da man, statt zu bauen, auch einen ganzen Turm auf ein freies Feld bewegen kann, um so gegnerische Blockierungen aufzuheben.
Die gediegene schwarz-weiße-Optik der Hochhäuser in TOWERS OF HAMBURG ist gefällig. Das optische Vorbild der Mundsburg-Türme, die auf der Schachtelrückseite zu sehen sind, ist gut umgesetzt. Spielmechanismus und Spielthema haben allerdings weniger miteinander zu tun. Fliegende Hochhausbestandteile, die beliebig hin und her jongliert werden können, sind auch mit großem Kraneinsatz schwer vorstellbar. Obwohl das Spiel im Hamburger Umfeld entstanden ist, hofft der Autor, dass die Hessen bald mit TOWERS OF FRANKFURT spielen und TOWERS OF NEW YORK müsste doch auch gut laufen.
Wieland Herold
Spieletelegramm:
Titel: TOWERS OF HAMBURG
Verlag: Beson-Games, Imstedt 5d, 22083 Hamburg
Autor: Nkem Benjamin Soberokon
Spielerzahl: 2
Alter: ab 8 Jahren
Preis: 59.- DM
Die Rezension erschien 1998 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Spiel 9/ 1998 R 134/2020
Sonntag, 25. Oktober 2020
PULA
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Michail Antonow, neuer Autor in neuem Verlag
Der inzwischen leider nicht mehr existente Verlag Pro Ligno hatte sich die Marktnische der edlen, in Holz produzierten Taktikspiele reserviert. Dass der Spielemarkt in Bewegung bleibt, haben nicht nur die Konzentrationsprozesse des letzten Jahres belegt. Neue Pflänzchen entstehen trotz oder vielleicht auch gerade wegen der Dominanz der großen Verlage. So versucht es Roland Siegers mit dem neu gegründeten Relaxx-Verlag und auch für Pro Ligno gibt es einen Nachfolger: Dieser ist schon in Essen mit seinen ersten Produkten aufgefallen. Mit drei weiteren Neuheiten macht der neue Verlag in Nürnberg deutlich - darunter auch mit Knizia-Spielen -, dass er keine Eintagsfliege werden möchte. Es handelt sich um Norbert Dinters Holzspielwaren.
Mutig setzt der Verlag mit seinen beiden Erstveröffentlichungen dabei auf einen recht unbekannten Spieleautor, den gebürtigen Bulgaren Michail Antonow - ehemaliger Redakteur bei der Deutschen Welle –, der mit den beiden Neuheiten COLORADO und PULA reüssierte. Beides wunderschöne Holzobjekte, wobei vor allem die Spielidee des zweiten Spiels überzeugt. COLORADO ist ein Setzspiel für zwei bis vier Spieler, bei dem in 36 Spielfeldmulden zweifarbige Spielfiguren eingesetzt werden, wobei die Spieler versuchen, möglichst große farbgleiche Gruppen zu erreichen.
Das Spiel PULA ist ein reizvolles taktisches Zweipersonenspiel, in dem es um die Eroberung von 37 Sechseckfeldern geht. Jedes Sechseck besitzt in seinen Ecken ein Loch, wobei die Randfelder im Außenbereich keine Löcher haben. Durch Setzen heller und dunkler Steckhölzer versuchen die beiden Spieler die Dominanz über ein Feld zu gewinnen, was im Randbereich sehr leicht ist, umkämpft sind vor allem die Mittelfelder.
Sobald ein Spieler einen Stecker seiner Farbe in ein beliebiges Spielfeldloch gesteckt hat, gilt sein Gewinnanspruch für die drei angrenzenden Sechseckfelder. Er markiert diese mit runden Holzscheiben seiner Farbe. Erst wenn der gegnerische Spieler mehr eigene Stecker um ein Feld platziert hat, geht dieses in seinen Besitz über. Die Holzscheibe wird umgedreht, um den Besitzwechsel deutlich zu machen. Bei den sechs Eckfeldern mit nur zwei Löchern, gewinnt damit der Spieler, der dort den ersten Stecker platziert, sofort das ganze Eckfeld. Solche Felder werden durch einen neutralen Stecker gekennzeichnet, der in die Holzscheibe gesteckt wird. 12 Randfelder haben drei Löcher, werden also erst gewonnen, wenn zwei Stecker einer Farbe platziert sind. Die restlichen 19 Mittelfelder sind immer dann erobert, wenn drei Stecker einer Farbe gesteckt sind. Zum Spielgewinn sind 19 Felder nötig.
PULA ist ein äußerst vielschichtiges taktisches Zweipersonenspiel, dessen Spielbrett auf einer Baumscheibe auch optisch zu gefallen weiß. Der Ansatz, Dominanzen zu erreichen, erinnert etwas an das gleichzeitig in Essen vorgestellte ARABANA IKIBITI von Günter Cornett, wobei die Steuerung durch Spielkarten und die bessere thematische Einbindung durch das Brückenbauen von Insel zu Insel in dem Spiel aus dem Bambus-Verlag zusätzlichen Spielreiz bedeutet. PULA ist ein durchweg abstraktes Spiel, das wegen des leichten Anfängervorteils immer eine Revanchepartie mit einschließen sollte.
Reizvoller als das Grundspiel ist die TWIXT-Variante, die Antonow als PULA 2 vorstellt. In diesem Spiel geht es nicht um die Eroberung der meisten Felder, sondern um möglichst viele Verbindungen zwischen den Spielfeldrändern. Der Spielablauf entspricht genau dem Grundspiel. Gespielt wird, bis alle Felder erobert sind. In der dann folgenden Abrechnung werden Verbindungen von genau gegenüberliegenden Rändern mit 5 Punkten bewertet, schräg gegenüberliegende mit 3 Punkten und benachbarte Ränder mit einem Punkt. In dieser Variante ist die Gefahr eines unentschiedenen Ausgangs, die bei zwei Partien in der PULA-Grundversion bei etwa gleichstarken Spielern recht häufig vorkommt, nicht gegeben.
Preislich liegen die Spiele bei Norbert Dinter etwa in dem Bereich der Pro Ligno-Spiele. Sie kosten um die 60.- DM. Verpackung und Spielmaterial haben mich allerdings bei den Spielen Siegfried Biehlers mehr angesprochen. Die braune, aufkleberlose Pappschachtel Dinters wirkt nicht verkaufsfördernd. Das Baumscheiben-Spielbrett ist zwar attraktiv, mit der Preiskalkulation ist aber eine Schmerzgrenze erreicht : 50.- DM erscheinen eher angemessen.
Wieland Herold
Spieletelegramm:
Titel: Pula
Verlag: Norbert Dinter, Steinstr. 8, 56357 Holzhausen
Autor: Michail Antonow
Spielerzahl: 2
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 60.- DM!
Die Rezension erschien 1998 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 8/ 1998 R 133/2020
Zum Spiel und zum Autor:
Michail Antonow veröffentlichte nach PULA vor allem Spiele zusammen mit Jens Peter Schliemann. Am bekanntesten war dabei das Spiel KARIBIK (2004, Winning Moves), ausgezeichnet auch das Taktikspiel ARONDA (2008, Gerhards).
Das Bild zeigt den Autor bei der Präsentation von PULA 1997 in Essen.
Samstag, 24. Oktober 2020
SWITCH & SIGNAL
Kosmos gelingt erneut die Quadratur des Kreises, 2019 überzeugten sie durch ein raffiniertes kooperatives Stichspiel. Thomas Sings DIE CREW REIST GEMEINSAM ZUM 9. PLANETEN räumte 2020 alle wesentlichen Preise vom Kennerspiel über den Deutschen Spielepreis ab. Aktuell bricht der Stuttgarter Verlag mit dem kooperativen Ansatz in das klassisch kompetitive Genre der Eisenbahnspiele ein und siehe da, auch das funktioniert.
Transportzüge sind in Mitteleuropa und Nordamerika unterwegs, die in Metropolen wie in Berlin oder Paris Waren abholen, um sie in Hafenstädte zu transportieren. Auf dem Europaplan wird nur nach Marseille geliefert, in Nordamerika geht es sowohl an die West- als auch an die Ostküste nach San Francisco und New York.
Die Strecken sind gekennzeichnet durch Startbahnhöfe der Züge, die mit drei unterschiedlichen Geschwindigkeitswürfeln unterwegs sind. Da gibt es die zumindest theoretisch schnellen schwarzen Eisenbahnen, die auch mal fünf Streckenabschnitte überwinden, die mittelschnellen brauen Züge und die langsamen grauen Schneckenbahnen, die mit hälftiger Chance nur ein Feld vorankriechen. Für die Streckenplanung wichtig sind die passenden Weichenstellungen, die elegant durch kleine schwarze Weichenscheiben vorgenommen werden. Außerdem müssen die Ampelanlagen an der richtigen Stelle grünes Licht zeigen, damit man Zugang zu den Warenlieferanten in den Großstädten bekommt und auch unterwegs freie Bahn hat.
Gesteuert wird alles über Aktionskarten der Spieler, mit denen Weichen gestellt, Ampeln geschaltet und Züge in Fahrt gesetzt werden. Eine wesentliche zweite Steuerung haben die Akteure nicht in ihrer Hand, das sind die Fahranweisungen, die vor jedem ihrer Züge aufgedeckt werden. Diese bringen neue Züge ins Spiel, bewegen auch beliebige oder bestimmte Zugfarben und stellen so etwas wie die tickende Bahnhofsuhr dar, die die Zeit vorgibt, in der acht Warensteine in die Hafenstädte gebracht werden müssen.
Der amerikanische Autor David Thompson stellt uns eine raffinierte logistische Aufgabe, die bis auf Aktien und Streckenbau alles enthält, was man sich von einem Eisenbahnspiel wünscht. Da geht es zu wie in einer großen Märklin-Landschaft, in der mehrere Züge unterwegs sind und möglichst nicht zusammenstoßen sollten. Geschickt müssen wir die Weichen stellen und für grünes Licht auf der Strecke sorgen. Dazu darf jeder alle seine fünf Handkarten nutzen und wenn einmal nichts Passendes auf der Hand ist, dienen zwei beliebige Karten als Joker. Unberechenbar bleiben die Fahranweisungen. Da soll dann manchmal eine Lokomotive in einen Ort gestellt werden, der schon besetzt ist, da wird ein schneller schwarzer Zug in Gang gesetzt, der noch kein grünes Licht für die Einfahrt nach Paris besitzt. All das hat Strafpunkte in Form von kleinen Uhren zur Folge. Sind die sieben Startuhren aufgebraucht, kostet das eine Fahranweisung und verkürzt damit die Zeit zur Aufgabenbewältigung. Drei Helfer unterstützen die Logistiker in ihren Aufgaben, allerdings darf jeder nur einmal pro Spiel zur Hilfe herangezogen werden. Da dürfen in Europa Würfel oder Fahranweisungen ignoriert werden, auch die Durchfahrt durch Städte ist einmalig erlaubt, um schneller ans Ziel zu gelangen.
Nur wenn das Eisenbahnteam alle acht Waren innerhalb der Zeit nach Marseille oder in die amerikanischen Zielorte bringt, gewinnen die Spieler. Die Chance des Scheiterns ist durch die Ausgangsvorgaben eher groß. Wer verloren hat, darf sich durch mehrere Stellschrauben Erleichterung schaffen. Da können mehr Uhren oder Fahranweisungen genutzt werden, auch die Zahl der grünen Ampeln kann erhöht werden. Entsprechend umgekehrt lässt sich aber auch die Schwierigkeit erhöhen.
SWITCH & SIGNAL ist ein herausforderndes Spiel und es geht in ihm zu wie bei der Deutschen Bundesbahn, pünktlich kommen die Züge nie so richtig an. Der Zeitdruck ist extrem, fangen Sie daher am besten gleich am Anfang mit allen 18 Fahranweisungen an und nicht mit nur 16, da besteht eine kleine Chance, die Aufgabe mit dem richtigen Einsatz von Schnellzügen und dem eher moderaten der Schneckenzüge zu bewältigen. Diesem Planungssog , der nah an echter Eisenbahnlenkung scheint, kann sich kaum einer entziehen. Die Entscheidungsdiskussionen machen dabei den besonderen Reiz aus. Das geht für den Verlag soweit, dass der Redakteur Wolfgang Lüdtke auf BGG SWITCH&SIGNAL ausdrücklich „als solo nicht spielbar“ deklariert. Das ist natürlich Unsinn, auch wenn Kosmos bewusst das Spiel erst ab zwei Personen empfiehlt, klappt es wunderbar und ohne Regelanpassung alleine.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: SWITCH & SIGNAL
Verlag: Kosmos
Autor: David Thompson
Grafik: Antje und Claus Stephan
Spielerzahl: 1 - 4
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: ca. 45 Minuten
Preis: ca. 35.- Euro
Spiel 73/ 2020
Freitag, 23. Oktober 2020
CRAZY CUBES
Die Neuheiten, die HCM Kinzel zur SPIEL digital vorstellt, können sich sehen lassen. Ganz aktuell freuen sich Markus und Christian Kinzel über den deutschen Kindersoftwarepreis für TAP IT!. Als einziger analoger Spieleverlag hat es das schwäbische Unternehmen der beiden Brüder Kinzel unter die diesjährigen Gewinner geschafft. Unter der Schirmherrschaft der Familienministerin Franziska Giffey, ausgewählt von fast 900 Kindern, gewürdigt in einer Liveübertragung am 17. Oktober auf KiKA landete TAP IT! auf den dritten Platz in der Kategorie „Elektronisches Spielzeug“.
Auch das sonstige Programm aus dem schwäbischen Zaberfeld kann sich sehen lassen. Uns gefallen im Augenblick die Puzzleaufgaben der CRAZY CUBES ganz ausgezeichnet. Der dänische Autor Jeppe Norsker hat diese Idee als MATCH MADNESS schon 2016 veröffentlicht, aktuell kennen wir ihn von BERMUDA PIRATES (HUCH!) und dem ESCAPE-Thriller LEOPOLD-TRILOGIE (Game Factory).
Worum geht es? Jeder besitzt einen fünfteiligen Satz von Würfelblöcken, die auf ihren vier Längsseiten jeweils zwei identische oder verschiedene weiße Symbole vor farbigem Hintergrund zeigen. Da tauchen weiße Kreise vor einem roten Hintergrund auf, außerdem Quadrate Kreuze, Sterne und Blüten. Jedes Symbol gibt es einmal doppelt, manche Kombination sogar zweimal, beispielsweise die Farb-Kombi rot-blau und rot-lila, aber nicht rot-grün und rot-orange. Das sollte man vorher wissen, wie auch die Setzung, dass die Doppelfarben auf ihren jeweiligen Blöcken nie mehr diese Farbe zeigen. Aufgabenkarten in fünf Schwierigkeitsstufen geben ein zu legendes Muster vor, in dem alle Blöcke eingebaut sein müssen.
CRAZY CUBES wird damit zum Reaktionspuzzle, bei dem es im Grundspiel um den Gewinn einer vorher festgelegten Zahl von Aufgabenkarten geht. Alle grübeln, drehen und wenden ihre Steine, sind oft verzweifelt, weil die letzte Lücke nicht gefüllt werden kann, sodass man meint, diesen nötigen Stein gebe es doch gar nicht. Aber es gibt ihn, da hat sich vorher wohl ein Fehler eingeschlichen.
Das rein kompetitive Gegeneinander in der Geschwindigkeitsschlacht um eine Karte wäre nichts Besonderes, weil meist die üblichen Verdächtigen mit dem entsprechenden räumlichen Vorstellungsvermögen als Sieger nach Hause gehen. Die CRAZY CUBES werden für mich erst durch die Variante TOTAL CRAZY richtig gut. In dieser Fassung liegen Aufgabenkarten aller fünf Schwierigkeitsgrade aus und jeder darf sich an beliebige Aufgaben machen. Hier kommt es auch zu Erfolgserlebnissen für schwächere Puzzler. Individuell lassen sich so auch Siegbedingungen für Kinder und Erwachsene festlegen.
CRAZY CUBES funktioniert in reinen Kinderrunden und mit Erwachsenen ausgezeichnet. Ein flottes Reaktionsspiel, an dem man sich sogar solo versuchen kann. Wer Puzzle-Spiele mag, sich außerdem gern dem Vergleichsdruck aussetzt, wird Gefallen an dieser Idee von Jeppe Norsker finden.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: CRAZY CUBES
Verlag: HCM Kinzel
Autor: Jeppe Norsker
Grafik: o.A.
Spielerzahl: 1 -4
Alter: ab 7 Jahren
Spieldauer: ca. 20 Minuten
Preis: ca. 29.- Euro
Spiel 72/ 2020
Donnerstag, 22. Oktober 2020
KANALOA
Thematisch an KAHUNA angelegt, bewegte sich der Berliner Autor Günter Cornett schon vor 20 Jahren in der Götterwelt der Südsee. Sein KANALOA um den Gott des Ozeans spielte schon 2001 mit den vier Elementen. Zuerst erschien Cornetts Idee im Eigenverlag Bambus, zwei Jahre später dann bei Tilsit.
Die Namensrechte scheinen wieder frei zu sein, denn ein anderer Günter, der bisher am erfolgreichsten mit funkelnden Schätzen und seiner Tochter Lena Burkhardt war, hat ganz aktuell ein KANALOA bei Piatnik veröffentlicht.
Die hawaiianische Götterwelt um KANALOA spielt erneut mit, aber mechanisch bewegt sich Günter Burkhardt in der in Deutschland so beliebten Stichspielwelt. Trotzdem ist alles anders, als wir es von SKAT und DOPPELKOPF gewohnt sind. Burkhardt verknüpft die üblichen Farbstichrunden mit einem Wettrennen. Erstmals ist eine solche Idee 1972 in Frederiks Herschlers 3M-Spiel BID & BLUFF aufgetaucht, das Abacus als CANYON 1997 herausgebracht hat.
Das Ambiente ist bekannt, Farbkarten, die den Göttern der vier Elemente zugeordnet sind, besitzen die Werte 1 bis 12, zusätzlich sind noch drei nur durch sich selbst schlagbare KANALOA-Karten im Spiel und zwei schwache Kraken-Karten. Für die normalen Karten gilt die übliche Bedienpflicht von Stichspielen, für die Sonderkarten wird diese Grundregel aufgehoben. Die Farben der Götter spiegeln sich auf den Meereskarten wider, die bilden, zum Kreis ausgelegt, die Segelstrecke der Spieler, die auf einem gemeinsamen Startfeld beginnen. Zehn bis zwölf Karten liegen je nach Spielerzahl in der Rennstrecke. Da jeweils zwei unterschiedliche Wasserfelder auf den Karten zu sehen sind, blicken alle mit ihren Segelschiffen auf eine scheinbar lange Segeltour vor sich. Der Spielablauf sorgt aber für eine dynamische Verkürzung der Strecke.
Für die Stichspielrunden starten alle mit acht Spielkarten. Im Ablauf ähnelt KANALOA allen klassischen Stichspielen, allerdings gibt es keine freie Trumpfwahl. Es muss bedient werden, der Gewinner des Stichs bekommt zur Belohnung einen Schritt auf der Segelstrecke. Die jeweilige Trumpffarbe ergibt sich stets durch das Wasserfeld des führenden Bootes. Sind die acht Karten gespielt, entfernt der Gewinner des letzten Stiches eine freie Meereskarte. Auch jede Kraken-Karte sorgt für die Verkürzung der Rennstrecke, sodass innerhalb einer Runde die Strecke um maximal sechs Felder schrumpft. Durch diese Verkürzung der Seestrecke funktioniert auch Burkhardts Idee für das Spielende gut, das eintritt, sobald ein Spieler das letzte Boot überrunden konnte.
Beschleunigend wirken zusätzlich die Regeln, dass nur auf dem Startfeld alle Schiffe stehen dürfen, sonst müssen besetzte Felder übersprungen werden. Aufholtechnisch ist das hilfreich, das gilt zusätzlich für die Delfinfelder, die auf vier Karten vorkommen. Wer ein solches Feld erreicht und die Felder vor und hinter ihm sind frei, erhält Hilfe von dem Delfin, der den Segler ein zusätzliches Feld voranbringt. Unbedingt einbauen sollte man von Anfang an außerdem die empfohlene Variante für Luschen-Blätter. Wer meint, ein ganz schlechtes Blatt zu haben und ohne Stich aus der Runde herauszugehen, kann das vorher ankündigen und darf bei korrekter Voraussage drei freie Wasserfelder vorwärts segeln.
Die Verknüpfung von Stichkartenspiel mit einem Segelrennen gelingen Burkhardt und Piatnik auf überzeugende Weise. KANALOA ist meist spannend bis zum Schluss, da die verkürzte Rennstrecke am Ende oft große Sprünge zulässt. Grafisch gefällig, mit schönen Holzschiffen ausgestattet, hat auch Piatnik das Notwendige dazu beigesteuert, dass Hermes und Thot, die griechischen und ägyptischen Götter des Spiels dem hawaiianischen Heiler KANALOA gewogen sein werden.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: KANALOA
Verlag: Piatnik
Autor: Günter Burkhardt
Grafik: Fiore GmbH
Spielerzahl: 3 -5
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 25 Minuten
Preis: ca. 20.- Euro
Spiel 71/ 2020
Mittwoch, 21. Oktober 2020
KING OF 12
Rita Modl reüssierte 2018 mit dem vielbeachteten MEN AT WORK. Zwei Jahre später darf man schon prognostizieren, ihr zweites Spiel KING OF 12 wird ebenfalls nicht in der Versenkung verschwinden, obwohl es deutlich weniger opulent daherkommt.
KING OF 12 ist eine Würfelschlacht in einer magischen Welt, in der mit Hilfe von Zauberkarten Würfelwerte sich ständig verändern. Jeder startet mit einem zwölfseitigen Würfel, einem identischen Set von sieben Charakterkarten, die aus zwölf verschiedenen ausgewählt werden, und einer Übersichtskarte über den Spielablauf, das Runden- und Spielende. Corax Games hat dann noch einige Siegpunktmarker für die Bilanzierung der einzelnen Runden spendiert.
Gewürfelt wird um eine Thronbesteigung in einem imaginären Reich, wobei jeder zu Beginn nur ein einziges Mal würfelt. Mit diesem Wurf gilt es, sechs Kampfrunden zu überstehen, bei denen jeweils überprüft wird, wer am Ende den höchsten Würfelwert besitzt. Hier kommen nun die Kartensätze ins Spiel, die auch mit scheinbar miesen Würfen, den Würfel glänzen lassen. Die Karten manipulieren meist die eigenen, manchmal auch gegnerische Ergebnisse. Jeder muss sich für eine Karte entscheiden, die er verdeckt ablegt. Die Wirkung identischer Karten hebt sich auf, einzeln gespielt, gelten aber die Effekte, wie die Wertungsumkehrung beim Ritter, die Werteverdopplung durch den Alchemisten oder der Golem, der den Wert 12 ergibt. Nicht nur identische Karten werden negiert, auch identische Würfelergebnisse nach der Kartenmanipulation schalten sich aus.
Der Gewinner einer Pokerrunde erhält zwei Siegpunkte, der zweite der Runde noch einen. Gespielt wird, bis einer nur noch eine Karte auf der Hand hat, wer dann die meisten Gewinnchips vorweisen kann, ist der Rundengewinner. Identische Ergebnisse werden auch bei dieser Abrechnung negiert. Theoretisch kann die erste Spielphase schon nach vier Runden beendet sein, denn acht Siegpunkte reichen ebenfalls aus. Der Gewinner wird leicht geschwächt. Er muss eine seiner Karten als Zeichen seines Sieges unter seinen Würfel legen. Wer die zweite Karte verliert, gewinnt das Spiel.
KING OF 12 ist ein typisches Bluffspiel, in dem man versucht, die anderen reinzulegen, weil man zu wissen meint, was diese legen könnten. Von dem Spieler mit dem niedrigsten Würfelwert wird meistens erwartet, dass er den Ritter spielt, um zu gewinnen. Ebenfalls einen Ritter zu spielen, würde die Umkehrung der Wertung verhindern. Wenn der dann aber statt des Ritters einen Parasiten spielt, der einen Abzug von sieben Punkten auf den Würfelwert zur Folge hat, macht er den anderen eine lange Nase. Auf die Dauer helfen aber nur hohe Ergebnisse, da muss man entweder den Würfel drehen oder das Orakel zu einem erneuten Würfelversuch nutzen.
Spannend ist die Nutzung der Gleichstandregel, bei der man hinten liegend in der letzten Runde versuchen kann, dem Zweiten Punkte zuzuschustern, damit er mit dem vor ihm liegenden Spieler gleichzieht.
In Vollbesetzung und zu dritt machen diese magischen Karteneinwirkungen auf die Würfelergebnisse richtig viel Spaß. Da sind Emotionen am Tisch, jedes Kartenaufdecken wird zelebriert. Im Duell zündet das weniger.
Die grafische Umsetzung durch den französischen Illustrator Robin Lagofun gefällt mir ausgesprochen gut. Auch die mit Glitzereffekten durchwirkten blauen Würfel machen etwas her. Die Alterseinordnung ab 10 Jahren sollte großzügig ausgelegt werden. Achtjährige habe ich mit großer Begeisterung im Karten-Würfel-Geplänkel erlebt.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: KING OF 12
Verlag: Corax Games
Autor: Rita Modl
Grafik: Robin Lagofun
Spielerzahl: 2 -4
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: ca. 20 - 40 Minuten
Preis: ca. 20.- Euro
Spiel 70/ 2020
Dienstag, 20. Oktober 2020
RETTET RAPUNZEL
Vor 22 Jahren tauchte erstmals mit PINGUIN KEGELN ein raffiniertes Schnipp-Spiel des Bremer Autors Torsten Marold auf, der ein Jahr nach dem großen Erfolg von HUSARENGOLF damals ein gesuchter Autor war. Die Holzinsel brachte dieses Pinguin Kegelspiel 1998 heraus, bei dem es darum ging, Eisscheiben unter Pinguinen wegzuschubsen, dies aber so geschickt und schnell, dass der Pinguin davon gar nichts mitbekommt und einfach stehen bleibt.
Als SCHNIPP-TRICK erlebte die Idee bei Steffen-Spiele 2015 eine Neubelebung, diesmal thematisch passender als reines Kegelspiel umgesetzt. Ganz aktuell retten wir auf ähnliche Weise Rapunzel. Da nun der Verleger Steffen Mühlhäuser als Mitautor ausgewiesen wird, gehe ich davon aus, dass die entscheidende Idee, den ursprünglich horizontalen Spielansatz in die Vertikale zu verlegen, von ihm stammt. Sämtliche Scheiben, neun an der Zahl, sind zu einem Turm aufgerichtet, in dessen Turmzinne Rapunzel auf Rettung wartet.
Mit einer Schnipp-Scheibe gilt es, den Turm abzubauen. Was mit Pinguinen und Tischkegeln geklappt hat, funktioniert, man mag es kaum glauben, auch mit fragilen Turmscheiben. Die nötige Geschwindigkeit der Scheibe vorausgesetzt und zentrale Treffer verkleinern den Turm tatsächlich. Übungsschüsse vor dem ersten Spiel sollten aber gewährt werden.
Wie bisher spielt CAN’T STOP etwas mit. Wer erfolgreich war, darf aufhören, aber auch den nächsten Versuch starten. Stürzt dabei der Turm ein, verliert man die bereits gewonnenen Scheiben. Der Turm wird danach mit allen noch nicht gesicherten Turmetagen und natürlich Rapunzel wieder errichtet. Wer die letzte Scheibe unter Rapunzel herausschnippt, gewinnt das langhaarige Mädchen gleich mit, sofern es nicht aus seiner Turmzinne fällt. Die Abrechnung ist einfach, Rapunzel bringt zwei Punkte, die Turmscheiben einen. Gespielt werden so viele Spielrunden wie Rapunzel-Retter am Werk sind. Jeder muss einmal anfangen, denn der ganz hohe Turm ist am schwierigsten zu bewältigen.
RETTET RAPUNZEL ist noch imposanter und spannender als seine Vorgängerspiele in der Horizontalen. Bei Torsten Marolds Geschicklichkeitsspiel stimmt nun alles, das Thema, das tolle Material und der Spielablauf. Wegen eines Konfektionsfehlers schenkt uns Steffen Mühlhäuser sogar eine zusätzliche rote Scheibe, die gut für individuelle eigene Regeln genutzt werden kann. Wir bauen sie ganz unten im Turm ein und sie zählt wie Rapunzel zwei Punkte.
In dieser Woche gibt es RETTET RAPUNZEL sogar ganz preiswert. Während der gesamten Messewoche zur SPIEL digital vom 19. bis zum 25. Oktober gewährt Steffen-Spiele einen Rabatt von 18 % auf alle Einkäufe über die Webseite www.steffen-spiele.de.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: RETTET RAPUNZEL
Verlag: Steffen-Spiele
Grafik: Bernhard Kümmelmann
Autoren: Torsten Marold, Steffen Mühlhäuser
Spielerzahl: 2 -5
Alter: ab 7 Jahren
Spieldauer: ca. 15 Minuten
Preis: ca. 14.- Euro
Spiel 69/ 2020
Montag, 19. Oktober 2020
PUNKTESALAT
Frisch auf den Tisch kommen aus lokalem Anbau Tomaten, Paprika, Salat, Mohrrüben, Rotkohl und Zwiebeln. Geliefert wird von den Herren Finkernagel und Esser, die ein großes Gemüselager auf der Pfingstweide unterhalten. Ihre exzellente Produktion ist durchaus über Friedberg hinaus bekannt und hat schon zu einigen Auszeichnungen auf überregionaler Ebene geführt.
Mit dem Friedberger Gemüse lässt sich sogar trefflich spielen, die Voraussetzungen dafür haben Molly Johnson, Robert Melvin und Shawn Stankewich aus den USA geschaffen. Damit das deutschen Feinschmeckern mundet, hat Klaus Ottmaier, leitender Mitarbeiter von Finkernagel&Esser, das Ganze fein abgeschmeckt.
PUNKTESALAT zeichnet sich durch minimalen Regelaufwand und erstaunlicher Spieltiefe aus. 108 Gemüsekarten, jeweils 18 von Möhre, Kohl & Co. stecken in der kleinen Schachtel. Das Entscheidende dieser Karten finden wir auf der Rückseite. Dort finden wir Wertungsbedingungen für das Spielende. Da werden einzelne Sorten mit Punkten belohnt und Salatkombis von zwei oder drei Gemüsearten. Da geht es um Mehrheiten oder darum, die wenigsten Karten einer Sorte zu besitzen. Was nicht so schmeckt, sind Minuspunkte für einzelne Gemüse, die manche Wertungen beisteuern.
Wie gut, dass man zumindest bis kurz vor Schluss ziemlich frei aus dem Salat Buffet wählen darf. Der Markt bietet stets im 2x3-Raster sechs Karten an, darüber liegen Nachziehstapel mit der Wertungsseite zu den Spielern. Wer an der Reihe ist, bedient sich entweder mit zwei beliebigen Gemüsekarten oder einer Wertungskarte. Wird auf dem Markt eingekauft, werden die leeren Plätze mit Karten von den darüber liegenden Wertungskarten aufgefüllt, die einfach umgedreht werden. Ein einziges Mal im Spiel, darf eine genommene Wertungskarte auf ihre Gemüseseite gedreht werden. Umgekehrt ist das aber nicht erlaubt. Die Runde endet, wenn alle Karten verteilt sind, sodass einem am Ende zwangsweise aufgezwungene Zwiebeln die Tränen in die Augen treiben können.
Man sieht, das Spiel ist in einer Minute erklärt und dauert meist nur etwa 20 Minuten. Es wirkt scheinbar ganz simpel, ist auch dem Zufall ausgesetzt, führt aber durch die Verknüpfung von Wertungsbedingungen und Sammelaktionen zu ständigem Entscheidungsstress. Da gibt es die Spieler, die erst einmal Gemüse horten, um bei passenden Punktekarten zuzuschlagen. Andere sichern sich lieber vorher diese Karten, um danach nicht blind sammeln zu müssen. Steuerbar ist das einigermaßen gut in kleineren Runden, in Vollbesetzung lässt sich nicht allzu viel planen, insbesondere von Mehrheitenwertungen sollte man die Finger lassen. Die Interaktion beschränkt sich allerdings meist nur auf den rechten und linken Nachbarn. Zur rechten Seite hin, gilt es aufzupassen, dass man wenig identisch sammelt, denn solche Karten landen dann vorher beim Gegenspieler. Nach links hin darf man dann etwas ärgern. Wenn nichts Passendes ausliegt, dann sollte man zumindest Punkte beim Gegner verhindern.
PUNKTESALAT ist ein unkompliziertes Spiel, das alles hat, um ständig als Salatbeilage bei größeren Menüs dabei zu sein.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: PUNKTESALAT
Verlag: Pegasus
Grafik: Dylan Mangini, Jens Wiese
Autoren: Molly Johnson, Robert Melvin und Shawn Stankewich
Spielerzahl: 2 -6
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 15 - 30 Minuten
Preis: ca. 13.- Euro
Spiel 68/ 2020
Montag, 12. Oktober 2020
EXPEDITION
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
ABENTEUER TIERWELT wird TERRA-X
1985 waren viele spielbegeisterte Familien angetan von der originellen Suche nach exotischen und schon fast ausgestorbenen Tieren auf unserem Globus in dem Spiel ABENTEUER TIERWELT von Wolfgang Kramer. Die Firma Ravensburger hat dieses Spiel leider vor einigen Jahren aus dem Programm genommen.
Queen Games hat es aktuell in Essen mit einer anderen Hintergrundgeschichte völlig überarbeitet neu herausgebracht: Atmosphärisch noch reizvoller geht es in dem neuen Spiel TERRA-X um Reisen zu den letzten Rätseln der Welt. Die geschickte Lenkung dreier Reiserouten durch die ganze Welt zu offenen und verdeckten Zielen ist immer noch herausfordernd.
Ein Spiel, mit dem es Spaß macht, auf lehrreiche Entdeckungsfahrt zu gehen. Auch spielerisch gibt es Verbesserungen, sodass wir nicht nur ein gutes altes Spiel im neuen Gewand vor uns haben. TERRA-X hat im direkten Vergleich beider Spiele eindeutig die Nase vorn.
Wieland Herold
Spieletelegramm:
Titel: Terra-X
Verlag: Queen Games
Autor: Wolfgang Kramer
Grafik: Jo Hartwig
Spielerzahl: 2-6
Alter: ab 8 Jahre
Spieldauer: ca. 60 Minuten
Preis: ca. 59.- DM
Die Rezension erschien 1995 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 19/ 1995 R 131/2020
Zum Spiel und zum Autor:
der 78jährige Wolfgang Kramer ist neben Reinhold Wittig der dienstälteste Spieleautor in Deutschland und der erste, der sein Hobby zum Beruf gemacht hat. Der gelernte Betriebswirt und Informatiker hängte 1989, nach zwei Spiel des Jahres-Auszeichnungen seinen Beruf an den Nagel und lebte fortan vom Spielerfinden.
Sein erstes Spiel TEMPO erschien 1974 bei ASS, HEIMLICH & CO. war sein erstes Spiel des Jahres (1986), es folgte gleich danach AUF ACHSE. In vielen seinen späteren Erfolgen war er mindestens im Team unterwegs. Bei EL GRANDE (SDJ 1996) begleitete ihn Richard Ulrich und bei TIKAL und TORRES Michael Kiesling.
Bis heute hat Kramer mehr als 100 Spiele veröffentlicht. Ganz aktuell startet er im Team mit Michael Kiesling das Programm des neuen Verlages Deep Print mit RENATURE.
Neben FORMEL 1 gehört die Idee von EXPEDITION mit ihrem Vorläufer ABENTEUER TIERWELT zu den am häufigsten veröffentlichten Spielen Kramers. 2005 holte sich Ravensburger die Rechte zurück und gab das Spiel nun als NATIONAL GEOGRAPHIC EXPEDITION heraus. 2017 kam es zu Amigo, erneut unter dem einfachen Titel EXPEDITION. Diese Fassung von Queen Games kam 1997 auf die Auswahlliste zum Spiel des Jahres, das hatte ABENTEUER TIERWELT nicht geschafft. Immerhin erhielt das alte Ravensburger Spiel die Essener Feder 1985 für die beste Spielregel. EXPEDITION gelangte 1997 außerdem auf den 8. Platz beim Deutschen Spielepreis.
Auf dem Bild ist Wolfgang Kramer in Essen 1997 zu sehen.
Sonntag, 11. Oktober 2020
ROLL ON!
SOLO UNTERWEGS
Optisch erinnert ROLL ON! von HUCH! an einen alten Tischflipper, nur dass man die Kugeln, die eine Plastikschräge herunterrollen, nicht im Spiel halten muss. Ursprünglich erschien das Spiel vor zwei Jahren in dem israelischen Verlag Smart Zone. In Yossef Sonnenfelds Kugelspiel werden uns 40 Denkaufgaben gestellt. Dabei müssen wir über eine Startrampe manchmal eine, manchmal zwei Kugeln in vorbestimmte Zielmulden bringen.
Zur Lenkung stehen Barrierezäune zur Verfügung, kurze, mittlere und ganz lange, die den Lauf der Kugel regulieren. Jede Aufgabenkarte legt neben der Start- und Zielstellung der Kugel die Position einiger dieser Zäune fest. Unsere Aufgabe ist es, weitere Barrieren so einzubauen, dass die Metallkugel ein festgelegtes Ziel erreicht.
Wie üblich in diesem Genre gibt es leichte, mittlere, schwere und ganz vertrackte Aufgabenstellungen. Was anfangs ganz einfach wirkt, wird mit der Dauer zum Hirnverzwirbler, zumal bei den schwierigeren Aufgaben oft Kugeln schon in der Bahn liegen, deren Wege erst in Gang gebracht werden müssen. Alles scheint anfangs logisch und leicht, da die Rollwege eindeutig ablesbar wirken. Meist klappt es auch so, wie es das logische Denken und räumliche Vorstellungsvermögen uns vorgaukeln, aber nicht immer. Ständiges Ausprobieren ist durch Umstellen der kleinen Zäune leicht umsetzbar und zwingend erforderlich, sodass sich dann irgendwann die Erfolge einstellen. Ganz Verzweifelte finden auf der Rückseite der Aufgabenkarten die Lösungen.
Der Aufforderungscharakter für Kinder ist hoch. Die schräge Kugelbahn muss nur auf den Tisch gestellt werden und schon geht es los. Grundschulkinder kommen gut mit den ersten 20 Aufgaben klar. Da lässt sich das eigentliche Solospiel sogar im Duell absolvieren, wobei derjenige, der die richtige Lösung findet, eine Aufgabenkarte gewinnt.
Insgesamt überzeugt dieses Denkspiel von HUCH!. Es bietet gutes Material mit ordentlicher Funktionalität und wachsender gedanklicher Herausforderung.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: ROLL ON!
Verlag: HUCH!
Grafik: Sabine Kondirolli
Autor: Yossef Sonnenfeld
Spielerzahl: 1+
Alter: ab 7 Jahren
Spieldauer: ca. 10 Minuten
Preis: ca. 24.- Euro
Spiel 67/ 2020
Samstag, 10. Oktober 2020
DIE SIEDLER VON CATAN – DAS KARTENSPIEL
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Bei aller Genialität Klaus Teubers, es gibt auch einen Nachteil bei seinem Spiel des Jahres 1995, DIE SIEDLER VON CATAN sind nur zu dritt und zu viert spielbar. Was macht das Pärchen, wenn keine Freunde da sind? An größere Runden haben der Kosmos Verlag und Klaus Teuber schon im letzten Jahr gedacht und eine Erweiterung für fünf und sechs Siedler herausgebracht. Seit Herbst 1996 füllt eine Kartenspielvariation die Lücke für Duellanten.
DIE SIEDLER VON CATAN – DAS KARTENSPIEL ähnelt zwar dem großen Vorbild, ist aber ein ganz eigenständiger Spielansatz. Die zu besiedelnde Welt meinen wir zu kennen, es gibt Siedlungen, Städte und verbindende Straßen. Auch die Kosten sind uns mit Ressourcen wie Stein, Getreide und Holz nicht unbekannt. Rohstoffkarten sorgen nach Würfelwurf für die notwendigen Erträge. Die Bilanzierung der Einnahmen erfolgt durch Drehen der Karten, was eine Lagerung bis zu drei Rohstoffen zulässt. Auch hier kann der Räuber zuschlagen, wenn ein Spieler mehr als sieben Rohstoffe besitzt.
Die Interaktion wird nicht nur durch den ebenfalls vorhandenen freien Tauschhandel erhalten, dessen Option zu zweit aber seltener genutzt wird, sondern durch Aktionskarten verstärkt, die zum Angriff oder zur Verteidigung genutzt werden können. Überhaupt sind diese Ausbaukarten die Prise Pfeffer im neuen CATAN-Menü Teubers, mit ihnen werden Siedlungen und Städte erweitert, Badehäuser, Bibliotheken, Klöster und Kirchen kommen hinzu. So bringt ein Badhaus nicht nur einen zusätzlichen Siegpunkt, es schützt auch vor Ereigniskarten, wie einem Seuchenausbruch. Zwölf Siegpunkte definieren das Spielziel, die durch Siedlungen, Städte, die größte Rittermacht oder größte Handelsmacht erreicht werden können. Es dauert allerdings etwas bis einer der beiden Spieler sich in diese Punkteregion vorgearbeitet hat. 90 Minuten sind durchaus nicht selten, aber irgendwie gelingt es Klaus Teuber, dass diese Zeit einem nur halb so lang vorkommt.
DIE SIEDLER VON CATAN – DAS KARTENSPIEL entwickeln sich fast opulenter auf dem Spieltisch als der große Bruder. Mit Hilfe der Karten entsteht eine größere CATAN-Landschaft als im Brettspiel. Um zu gewinnen, macht es Sinn, drei Dörfer vor dem Gegner zu bekommen, dem dann nur zwei weitere zur Verfügung stehen. Auch das Handkartenlimit von drei Karten sollte man über den Klosterbau erweitern. Die Investition von zwei Rohstoffen für die gezielte Auswahl einer Karte von einem der Nachziehstapel lohnt meistens, zumal man bei dieser Aktion sämtliche Karten dieses Stapels kennenlernt.
Das Kartenspiel führt zu einem spannenden Duell, das nicht ganz die hohen Preiswürden seines Vorbilds erreicht hat, aber zurecht auf der Auswahlliste für das Spiel des Jahres 1997 landete.
Wieland Herold
Titel: DIE SIEDLER VON CATAN – DAS KARTENSPIEL
Verlag: Kosmos
Autor: Klaus Teuber
Grafik: Franz Vohwinkel
Spielerzahl: 2
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: 60 - 90 Minuten
Preis: ca. 25.- DM
Die Rezension erschien 1997 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 9 von 10 Sternen,
das entspricht: Jederzeit wieder
Spiel 15/ 1997 R 129/2020
Zum Spiel und zum Autor:
Die Marke CATAN gilt inzwischen als zweiterfolgreichste nach MONOPOLY. In diesem Jahr feiert das Kultspiel CATAN (früher DIE SIEDLER VON CATAN) seinen 25. Geburtstag. Zum Jubiläum ist auf der Insel Mainau ein überdimensionales CATAN-Feld mit der typischen Wabenstruktur entstanden, das im Juli 2020 feierlich eröffnet wurde.
Der gelernte Zahntechniker Klaus Teuber war schon vor CATAN einer der bekanntesten Spieleautoren Deutschlands, hatte er doch schon für sein Erstlingswerk BARBAROSSA 1988 das Spiel des Jahres gewonnen. Es folgten Doppelsiege 1990 und 1991 für ADEL VERPFLICHTET und DRUNTER & DRÜBER.
Den Weg zu dem Jahrhundertspiel CATAN beschreibt Klaus Teuber in dem ganz aktuell zum Jubiläum erschienenen Buch MEIN WEG NACH CATAN, mit dem er seine Leser auf eine Reise in seine persönliche Geschichte und die Spielgeschichte der 60er und der folgenden Jahrzehnte nimmt.
DIE SIEDLER VON CATAN – DAS KARTENSPIEL entwickelten sich zu einem fast ähnlichen Erfolgsspiel wie der große Bruder. Themen-Sets erweiterten das Spektrum, mit dem Turnier-Set (1997) näherte sich das System den damals beliebten Sammelkarten-Systemen, ohne den Zwang zum Booster-Kauf. 2010 veröffentlichte Teuber eine grundlegende Überarbeitung unter dem Titel DIE FÜRSTEN VON CATAN.
1997 landete das Spiel „nur“ auf der Auswahlliste zum Spiel des Jahres, erreichte den zweiten Platz beim Deutschen Spielepreis und auch nur den Silberplatz beim Kartenspielpreis der Fairplay. Beim Merz-Verlag unterlag Teuber nur dem eigenen Konkurrenzspiel LÖWENHERZ, bei der Fairplay dem Newcomer Uwe Rosenberg mit seinem ebenfalls genialen BOHNANZA.
Das Bild zeigt Klaus Teuber auf dem ersten Kosmos-Treffen 1996 bei der Vorstellung des Spiels.
Freitag, 9. Oktober 2020
MANITOU
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
MANITOU - Der Wilde Westen lebt
Der Wilde Westen lebt! Das, was sonst nur große Brettspiele vermögen, nämlich Spielgeschichten zu erzählen und nachvollziehbar zu machen, gelingt dem jungen Autor Günter Burkhardt mit dem Kartenspiel MANITOU (Goldsieber) auf überzeugende Weise.
Zwei bis vier Spieler gehen mit ihren Indianerstämmen auf die Jagd nach drei Büffelherden. Vielschichtig läuft diese Hatz ab. Da wird vor jeder der drei Runden sorgfältig die Jagdmannschaft zusammengestellt. Jäger und „Große Krieger“ werden taktisch geschickt ausgewählt, damit am Ende einer Jagdsaison möglichst viele Büffel, aber auch gegnerische Bogenschützen, Häuptlinge, Medizinmänner, Regenmacher und Squaws gefangen in die heimischen Tipis gelangen.
Die psychologische Einschätzung der Mitspieler, der strategische Karteneinsatz und ein ungewöhnlicher Kartenspielablauf machen MANITOU zu einem vielschichtigen, spannenden und äußerst innovativen Kartenspiel, das außerdem durch eine gelungene grafische Umsetzung zu überzeugen weiß.
Wieland Herold
Titel: MANITOU
Verlag: Goldsieber
Autor: Günter Burkhardt
Grafik: Franz Vohwinkel
Spielerzahl: 2-4
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: 20-30 Minuten
Preis: ca. 10.- DM
Die Rezension erschien 1997 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 14/ 1997 R 128/2020
Zum Spiel und zum Autor:
Der Realschullehrer Günter Burkhardt startete 1997 als 36jähriger zu Beginn gleich richtig durch. Er durfte sich nicht nur über MANITOU freuen, sondern hatte mit LANG LEBE DER KÖNIG und BÜRO CRAZY (beide FX Schmid) gleich zwei weitere Spiele in seinem Erstveröffentlichungsprogramm. BGG verzeichnet vorher noch Eigenpublikationen wie die QUASSELSTRIPPE (1994) und DAS LIEBLINGSSPIEL DES ADAM RIESE 1996.
MANITOU gefiel nicht nur den Juroren von Spiel des Jahres, es erreichte den fünften Platz beim Kartenspielpreis der Fairplay und den zehnten Platz beim Deutschen Spielepreis. Im Jahresrhythmus folgten mindestens zwei bis drei weitere Veröffentlichungen. Mit KUPFERKESSEL (Goldsieber) landete er 2002 erneut auf der Auswahlliste der Jury und gewann den österreichischen Titel Spiele Hit für Zwei. Die Spiele MAORI (Hans im Glück, 2009) und POTATO MAN (Zoch, 2014) kamen auf die Empfehlungsliste der Jury Spiel des Jahres.
Beim Kartenspielpreis der Fairplay war er noch erfolgreicher, sein VOLLTREFFER Berliner Spielkarten) gelangte 2000 auf den vierten Platz und mit VOM KAP BIS KAIRO (Adlung Spiele) erreichte er 2002 den ersten Platz.
Sein bisher größter Erfolg im Team mit seiner Tochter Lena war 2018 die Auszeichnung mit dem Kinderspiel des Jahres für FUNKELSCHATZ.
Von seinem Lehrerberuf hat er sich schon vor einiger Zeit beurlauben lassen. Er arbeitet inzwischen hauptberuflich als Spieleautor, engagiert sich in seiner Heimat in der Nähe von Bad Ditzenbach im Sportverein und ist für Die Grünen im Gemeinderat.
Das Bild zeigt Günter Burkhardt auf der Spiel 1996 zusammen mit Karsten Höser und Florian Herold. Ganz oben ist Synes Ernst zu sehen beim ersten Test von MANITOU auf dem Goldsieberabend 1997 in Nürnberg.
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Donnerstag, 8. Oktober 2020
VISIONARY
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
VISIONARY – Bauten im Blindflug
Im letzten Jahr konnte Claude Weber mit dem Partyspiel WAT’N DAT? (ASS) überraschen, in dem mit Stöckchen und Glassteinen, im Team gelegt, Begriffe entstanden. Holzteile spielen auch eine wichtige Rolle in VISIONARY, einer Idee des New Yorkers Ron Dubren. Besonders an seinem Team-Spiel ist, dass Bauvorgaben blind umgesetzt werden müssen.
Über zwölf Bausteine verfügt jedes Team. Ein Konstrukteur mit Augenbinde und ein dirigierender Bauleiter muss mit in jeder Mannschaft sein. Vier Spieler braucht es daher mindestens für eine Partie VISIONARY. Gespielt wird nach Würfelvorgabe zeitgleich gegeneinander oder gegen eine Sanduhr. Baukarten zeigen einen Bauauftrag, den die Bauleiter sprachlich an die Konstrukteure übermitteln müssen. Da geht es dann nicht nur um exaktes Beschreiben der Bauteile, sondern auch deren korrekte Aufstellung.
Läuft der erste Kampf völlig blind ab, dürfen die Konstrukteure beim Kampf gegen die Uhr vorher einen Blick auf die Baukarte werfen. Gespielt wird auf Punkte oder auf sechs Gewinnkarten.
Wer meint, nur die blinde Rolle sei schwierig, irrt. Die Aufgabe der Anweisenden ist ebenso komplex. Deshalb spiele ich VISIONARY sehr gerne mit Kindern, die lernen, mehr auf ihre exakte Sprache zu achten und schulen ihre Motorik. Die gelungene Mischung aus Kommunikations- und kompetitiven Bauspiel erweitert das Genre der Partyspiele nach WAT’N DAT im letzten Jahr. Auch VISIONARY landet auf einem Platz der Auswahlliste zum Spiel des Jahres.
Wieland Herold
Titel: VISIONARY
Verlag: Schmidt
Autor: Ron Dubren
Spielerzahl: 4-8
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: 60 Minuten
Preis: ca. 59.- DM
Die Rezension erschien 1997 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 13/ 1997 R 127/2020
Zum Spiel und zum Autor:
1997 hatte der US-Amerikaner Ron Dubren mit dem Wortspiel OVERTURN und dem Partyspiel GOTTA SECOND schon zwei Spiele auf den Markt gebracht. VISIONARY war seine erste deutsche Publikation, der nach dem Erfolg 1999 noch OHNE WORTE (ASS), LACH DICH SCHLAPP und MEGA MEAL (beide Ravensburger) folgten.
Das untere Bild stammt von der Spielpräsentation am Schmidt-Stand in Essen 1997.
Mittwoch, 7. Oktober 2020
BOHNANZA
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Viele Spiele hat der 27jährige Mathematiker Uwe Rosenberg aus Ostfriesland bisher noch nicht veröffentlichen können, vielleicht wird das durch seinen Bohnenhandel anders. In diesem Jahr landete er mit dem innovativen BOHNANZA (Amigo) auf der Auswahlliste zum Spiel des Jahres. Schon im letzten Jahr hat er mit LIFETIME, einem historischen Einordnungsspiel beim selben Verlag, überzeugen können.
Wer beim Titel des aktuellen Spiels an die alte Westernserie mit Lorne Green als Ben Cartwright aus den 60er Jahren denkt, liegt zwar falsch, denn Rosenberg ist das eingeschobene „h“ schon wichtig. Er sieht seine Spieler tatsächlich nicht als Viehzüchter, sondern als Bohnenbauern. Aber die Blauen Bohnen, die sie anbauen, könnten durchaus aus den Pistolen von Hoss oder Little Joe stammen. Schon beim Betrachten der Karten wird deutlich, hier wird augenzwinkernd mit Worten und mit Bildern gespielt.
BOHNANZA ist erst einmal gewöhnungsbedürftig. Rosenberg lässt so manchen SKATspieler verzweifeln. Kartenhände dürfen nämlich nicht sortiert werden, sondern bleiben exakt in der Reihenfolge auf der Hand, wie man sie erhalten hat. Entsprechend werden sie dann auch abgespielt. BOHNANZA ist kein Stich-, sondern ein Sammel- und Tauschspiel. Spätestens seit den SIEDLERn von Klaus Teuber, ist Tauschen unter Spielern en vogue. „Tausche Holz gegen Getreide!“ wird hier zu „Tausche zwei Brechbohnen gegen eine Rote Bohne!“
Durch Kartenablage auf zwei oder drei Bohnenfeldern, wobei stets mindestens die erste Handkarte dort abgelegt werden muss, und durch den Handel schaffen sich die Spieler wertige Bohnenpflanzungen, deren Ernte Erträge bringt. Seltene Sorten sind lukrativer, dafür aber schwerer zu bekommen. So bringt das Beet mit zwei raren Gartenbohnen schon mit zwei Karten, Einkommen von zwei Bohnentalern. Die üppigen Blauen Bohnen benötigen dafür die dreifache Menge. Einfach gelöst, ist die Bezahlung, die entsprechenden Taler befinden sich auf der Kartenrückseite. BOHNANZA endet, wenn der Kartenstapel zum dritten Mal leer ist. Nach einer letzten Bohnenernte zählen alle ihre Bohnentaler.
Es dauert etwas, bis man die Spielabfolge und die Regulierung der Handkarten im Griff hat, dann eröffnen sich aber die Sammel- und Handelsreize eines genialen Kartenspiels. Wer nach Innovationen jenseits der in Deutschland üblichen Stichspiele sucht, wird mit Feuer-, Augen- und Sojabohnen glücklich. Den jungen Autor aus Aurich sollte man sich merken.
Wieland Herold
Titel: BOHNANZA
Verlag: Amigo
Autor: Rosenberg, Uwe
Spielerzahl: 3-5
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: 45 Minuten
Preis: ca. 10.- DM
Die Rezension erschien 1997 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 12/ 1997 R 126/2020
Zum Spiel und zum Autor:
1997, im Jahr seines ersten großen Erfolges mit BOHNANZA, studierte Uwe Rosenberg noch in Dortmund. Seinen ersten Erfolg fuhr er mit dem zweiten Platz für MILLENIUM 1991 im Hippodice Wettbewerb ein. Das Spiel erschien unter der Ägide von Peter Gehrmann 1992 als TIMES bei Salagames. Dort veröffentlichte der Redaktionsleiter außerdem noch die Idee MARLOWE von Uwe Rosenberg. Danach ergab sich die ertragreiche Kooperation mit Amigo.
BOHNANZA landete nicht nur auf der Auswahlliste der Jury Spiel des Jahres. Es gewann den À la Carte-Preis der Fairplay 1997 und erreichte den fünften Platz beim Deutschen Spielepreis.
Der auch internationale Siegeszug setzte sich aber erst danach in Gang. Seit 23 Jahren schon liefert Amigo Gartenbohnen, Saubohnen und auch die ein oder andere Blaue Bohne in unendlich vielen gelben Schachteln aus. Keiner hat mehr so den rechten Überblick, was da alles in rosenbergscher Gartenerde inzwischen herangezüchtet wurde. Das klassische Saatgut wurde vielfach gemendelt und gegendert, musste sich gegen die Bohnenmafia wehren, trat Seereisen an, gelangte in den Wilden Westen und kämpfte sich in BOHNRÖSCHEN durch Rankenwerke.
Nach seinem Studium der Statistik gründete Uwe Rosenberg 2000 zusammen mit Hanno Girke und Marcel-André Casasola Merke den Lookout Spieleverlag. Er behielt aber im Gegensatz zu Klaus Teuber, der sich an Kosmos band, seine Unabhängigkeit und veröffentlichte weiter Spiele bei vielen Verlagen, so das Zweipersonenspiel BABEL 2001 bei Kosmos oder 2004 YELLOWSTONE PARK bei Amigo.
Die großen Erfolge mit komplexen Aufbauspielen wie in AGRICOLA gönnte er aber Lookout Games.
Auch in der Folgezeit unterstützte er Neugründungen von Verlagen, so Feuerland und die Edition Spielwiese. Ganz aktuell hat er auch die Wyrmgold GmbH mit angeschoben und dem jungen Verlag ROBIN VON LOCKSLEY spendiert.
Auf dem Bild ist der 29jährige Uwe Rosenberg 1999 in Essen mit seinem damaligen Gesamtprogramm zu sehen.
Dienstag, 6. Oktober 2020
HUSARENGOLF
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Fünf Jahre gibt es schon die Spiel&Grafik-Werkstatt mit Autoren und Grafikern aus Syke in der Nähe von Bremen, aus Groningen und Wien. Initiator und spiritus rector dieses Teams ist Torsten Marold, inzwischen 35 Jahre alt, hauptberuflich als Tischler tätig, Vater von drei Kindern.
Kugeln spielen eine wichtige Rolle in Torsten Marolds Erfinderleben. Das Aktionsspiel PUSTEKUCHEN war noch für Kinder im Pustealter gedacht. Kugeln sollten hier in Farblöcher gepustet werden. Um eine Kugel und Löcher ging es auch in dem Spiel KOPFLOS, später nach Marolds Kindern Marco, Runa und Birk MARUBI genannt.
Diese Idee lernte Joe Nikisch, der Verlagschef von Abacus, 1995 in Göttingen kennen und machte daraus HUSARENGOLF, das damit zur ersten und gleich ausgezeichneten Spieleveröffentlichung der Spielwerkstatt wurde. Die Jury Spiel des Jahres hat es in diesem Jahr mit dem Sonderpreis „Geschicklichkeitsspiel“ ausgezeichnet.
Der Aufforderungscharakter dieses Aktionsspiels ist sehr groß. Auf einem großen etwa ein Meter langen Holztablett mit acht Mulden balancieren zwei Spieler eine Kugel, die sie in ein Loch der eigenen Farbe zu manövrieren versuchen. Holzgriffe an dem Tablett ermöglichen plötzliche Auf- und Abbewegungen, ein Ziehen und Zerren, sodass HUSARENGOLF zu einem schweißtreibenden Trimmgerät werden kann, stets verbunden mit viel Spaß für Zuschauer und Aktive. Gespielt wird auf fünf Gewinnpunkte, aber danach ist nie Schluss. Das Spielgerät ist großen Kräften ausgesetzt, aber Abacus ist eine äußerst stabile Umsetzung gelungen.
Sogar zu viert, wenn jeder Spieler einen Holzgriff nimmt, kann man sich am HUSARENGOLF austoben. Marolds erster Erfolg stellt sich durch ein recht einfaches, kaum regelgeleitetes Spielzeug ein.
Wieland Herold
Titel: HUSARENGOLF
Verlag: Abacus
Autor: Marold, Torsten
Spielerzahl: 2/4
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: 15 Minuten
Preis: ca. 90.- DM
Die Rezension erschien 1997 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 11/ 1997 R 125/2020
Zum Spiel und zum Autor:
HUSARENGOLF war der erste große Erfolg Torsten Marolds. Das Spiel ist immer noch auf dem Markt, zurzeit wird es von Franjos vertrieben. Sein Waagespiel KIPPIT, später KIPP X ( In den USA KILTER) war vor allem international dann noch erfolgreicher. 2013 war es in Deutschland für den Lernspielpreis nominiert und erhielt 2014 in Belgien das Label „Ludo 2014“, außerdem kamen mehrere Auszeichnungen in den USA und in Kanada hinzu.
Franjos hat neben HUSARENGOLF KIPPIT bzw. später KIPP X im Programm, das immer noch erfolgreich läuft. Außerdem konnte der Autor Spiele bei ferti (TABLE HOCKEY), Selecta (PRESTO PIPPO!), Haba (WAS SIEHST DU?) und der Holzinsel (PINGUIN KEGELN) veröffentlichen. Das letzte Spiel kam dann in Neuauflage 2015 als SCHNIPP-TRICK bei Steffen-Spiele heraus. Zuletzt erschienen bisher Marolds ALLTAGSGESCHICHTEN 2019 bei Kallmeyer.
Das untere Bild zeigt Marold mit seinem Verleger während der Preisfeier in Berlin auf dem damaligen MISSISSIPPI-Dampfer Esplanade auf der Spree. Oben sieht man Joe Nikisch 1995 in Göttingen bei den ersten Probespielen während des Autorentreffens.
Montag, 5. Oktober 2020
AZTEC
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
AZTEC – schönstes Spiel des Jahres
Niek Neuwahl hat als Spieleautor in den meisten seiner Spiele ein hervorragendes Gespür für die Umsetzung einfacher, aber pfiffiger Spielideen bewiesen. Das zeigt sich vor allem bei seinen dreidimensionalen Spielen wie PITAGORAS und ATZEC, aber auch an seinen witzigen Spielideen, die er Anfang der 90er Jahre bei Peri unterbringen konnte, so das Wendekartenspiel THE COCOOS und den Wettlauf der Gurken im GURKENSOLO, bei dem ein um die Ecke Denken von den Spielern verlangt wird.
Das Pyramidenbauspiel AZTEC ist ihm bisher am besten gelungen. In Neuwahls Vorstellung haben die Azteken ihre Stufenpyramiden zwar aus identischen Steinblöcken zusammengesetzt, aber diese waren seltsam sperrige Gebilde. Seine in sechs Würfelabschnitte aufgeteilten Bausteine wirken wie ein L-Formduo mit jeweils zwei identischen Steinen, die verdreht zueinanderstehen, einmal liegend, einmal stehend.
Mit dem Münchner Zoch Verlag hat der in Italien lebende Holländer Neuwahl einen kongenialen Partner für die Umsetzung seiner Idee gefunden. Seit dem BAUSACK ist der Verlag auf wertige Holzprodukte spezialisiert, was er auch mit dem Balance-Spiel BAMBOLEO beweisen konnte. Albrecht Werstein und Klaus Zoch, die Macher dieses Verlages, haben die 22 Pyramidenbausteine in eine trichterförmige Holzkiste verpackt, die umgedreht einen wunderbaren Spielsockel für die Pyramide ergibt. Alles in Blautönen gehalten, auch in der Farbabstufung der Steine.
Spieltechnisch spielt das allerdings überhaupt keine Rolle. Neuwahl hat sich für das Bauduell an seiner aztekischen Pyramide etwas ganz Eigenes ausgedacht. Gewertet werden nur die äußersten Steine der dritten Etage, höher darf gar nicht gebaut werden. Ein Baumeister bekommt seine Punkte von der Nord- und Südseite, der andere nimmt mit den beiden anderen Himmelsrichtungen vorlieb.
Jeder neu gesetzte Stein muss mit mindestens zwei Flächen an vorhandene Bausteine angrenzen und darf auch nicht über die Grundfläche hinausragen. In sich stabil soll ebenfalls alles bleiben, Luftbrücken sind nur über ein Feld hinweg erlaubt. Sobald alle 22 Steine auf der 9x9 Felder großen Pyramidenplattform verbaut sind, wird gewertet.
In der Variante zu dritt übernimmt ein Spieler die Rolle eines Aztekengotts, der die Bauziele sabotiert. Das Spannende an dieser asymmetrischen Konstellation ist die Zuordnung dieser Aufgabe. Aztekengott „Ah Puch“ wird man nämlich nur nach einer erfolgreichen Abwärtsversteigerung. Derjenige, der die niedrigste Zahl bietet, gewinnt, wenn keiner der beiden anderen mehr Punkte als die gebotene Zahl erreicht.
AZTEC ist ästhetisch und haptisch ein Genuss, spielerisch ein Vergnügen, für diejenigen, denen das notwendige räumliche Vorstellungsvermögen beim Einbau der verdrehten Steine nicht abgeht. Genial ist die Einbindung eines dritten Spielers über eine Versteigerung. Den Kritikerpreis „Schönes Spiel“ haben sich Zoch, Werstein und Neuwahl zurecht verdient, sie lassen sich dafür aber auch teuer mit einem Sebastian Münster bezahlen
Wieland Herold
Titel: AZTEC
Verlag: Zoch
Autor: Niek Neuwahl
Spielerzahl: 2 -3
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: 15 bis 25 Minuten
Preis: ca. 100.- DM
Die Rezension erschien 1997 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 10/ 1997 R 124/2020
Zum Spiel und zum Autor:
Der 1944 im niederländischen Zoeterwoude geborene Nicolaas Neuwahl wollte und sollte als Architekt eigentlich einen eher sicheren Berufsweg einschlagen. Erst als er Mitte der 70er Jahre mit seiner italienischen Frau in die Nähe von Florenz zog, erfuhr er, nach dem Verkauf der schwiegerväterlichen Firma, einer Fabrik die Waagen herstellte, und seinem Eintritt in eine Geschenkartikelfirma, dass man spielend gutes Geld verdienen kann. Der auf Werbeprodukte spezialisierten Firma gelangen hervorragende Umsätze mit dem einfachen KLAPPENSPIEL, das er 1984 als SHUT THE BOX sogar als Lizenzausgabe bei MB unterbringen konnte.
Finanziell hat er das meiste Geld über Werbespiele verdient, wahrgenommen wurde er zuerst für die vielen Spiele bei Peri und seinen Erfolg mit AZTEC, später kam noch die Auszeichnung für TA YÜ (Kosmos, 1999) dazu und Würdigungen für TOSCANA (Piatnik, 2001).
Niek Neuwahl engagierte sich zusätzlich, um uneigennützig für die Verbreitung des Kulturguts Spiel und für Interessen der Spielautoren einzutreten. So hat er von Anfang an die Arbeit der Spielautoren Zunft (SAZ) wohlwollend begleitet und war von 1997 bis 1999 Vorsitzender der Zunft. Während dieser Tätigkeit konnte er besonders den internationalen Anspruch der SAZ betonen. In Italien unterstützte er als Juror die Arbeit des inzwischen auch über die italienischen Grenzen hinaus bekannten Autorenpreises „Premio Archimede“, der seit 1993 vergeben wird. Daneben gehört er mit zum Patronat der international bekannten „Board Game Studies“. 2004 erhielt er während des 23. Göttinger Spieleautorentreffens den Inno-Spatz für sein Lebenswerk.
Das untere Bild zeigt Niek Neuwahl 1995 in Göttingen bei einer Partie mit dem Prototypen von AZTEC mit Max Kobbert.
Sonntag, 4. Oktober 2020
LEINEN LOS!
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Auf der Schnur sein: LEINEN LOS
Die Firma Haba entwickelt sich immer mehr zu der innovativsten Spielefirma im Kinderspielbereich. Die Spieleredakteure im bayerischen Rodach setzen Maßstäbe im Bereich des Materials, sie lösen sich vom herkömmlichen Brettspiel und öffnen sich für das Spiel im freien Raum, sie faszinieren durch immer wieder neue Spielideen.
Mit den 97er-Neuheiten haben sich die Rodacher wieder einmal selbst übertroffen. Aus der großen Reihe guter und sehr guter Spiele ragt ein Geschicklichkeitsspiel des in Venedig lebenden Amerikaners Alex Randolph heraus: LEINEN LOS! nennt er ein Bootsrennen für zwei bis vier Kinder ab 6 Jahren. Die Steuerung seiner Boote ist nicht einfach, da sie nur über einen lose in das Holzboot eingesetzten Holzmotor mit einem Finger vorwärtsgeschoben werden können. Dabei gerät das Boot schnell ins Schlingern und kommt vom vorgesehenen Spielplankurs ab. Stimmig umgesetzt hat der Autor die Dauer der Bootsfahrt. Solange ein Mitspieler um einen Kreuzpoller ein Tau in 8er-Schlingen wickelt, darf gefahren werden. Wer nach diesen Regeln als erster den schwierigen roten oder den einfacheren gelben Kurs bewältigt und dabei weder die kleinen Bojen berührt noch sein Schiff auf Land setzt, ist Spielsieger.
Ein hervorragendes Familienspiel, an dem auch Erwachsene ihre Freude haben. Nur sollten die Eltern beim Spiel mit ihren Kindern das Tau um den Kreuzpoller auf- und abwickeln, damit die Chancengleichheit gewahrt bleibt. Seine besten Qualitäten entfaltet LEINEN LOS! aber, wenn man die Spieleschachtel samt Spielplan vergisst, die Boote, Bojen und den Kreuzpoller in die Hosentasche steckt und damit jederzeit spielbereit ist. So können lange Wartezeiten auf das Essen im Restaurant wunderbar überbrückt werden, indem der Tisch zur Rennstrecke wird. LEINEN LOS! lässt sich nämlich sehr gut ohne Spielplan spielen.
Wieland Herold
Titel: Leinen los!
Verlag: Haba
Autor: Alex Randolph
Spielerzahl: 2 -4
Alter: ab 6 Jahren
Spieldauer: 10 bis 15 Minuten
Preis: ca. 40.- DM
Die Rezension erschien 1997 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 9/ 1997 R 123/2020
Zum Spiel und zum Autor:
Alex Randolph war der Kosmopolit unter den Spieleautoren. 1922 in Böhmen geboren. Seine Mutter stammte aus Colorado, sein Vater war Russe. Schon als Kind lebte er mehrere Jahre in Venedig, bevor er als Zehnjähriger in ein Schweizer Internat geschickt wurde. Ein Jahr vor dem Zweiten Weltkrieg ging die Familie zurück in die USA. Während des Krieges arbeitete er am Entschlüsseln feindlicher Codes.
Nach dem Krieg lebte er als Werbetexter und Romancier in Boston, bevor er 1961 mit Pentomino-Steinen sein erstes Spiel veröffentlichte. Randolph siedelte dann nach Wien um, spielte dort im Café Hawelka TWIXT mit Herbert Feuerstein, das bald als 3M-Spiel in einer edlen Buchschuberausgabe erschien und ihm einen mehrjährigen Aufenthalt in Japan finanzierte. Mitte der 70er Jahre fand der Spieleautor nach Venedig zurück, wo er 2004 starb.
Anfangs entwickelte er, inspiriert durch die Japanreise, hauptsächlich taktische Spiele für zwei, wie EVADE, BUFFALO und GEISTER. In den 80er Jahren erfand er erfolgreich viele Familienspiele wie SAGALAND, „Spiel des Jahres“ 1981, das er zusammen mit seinem engen Freund Michael Matschoss entwickelte, der sich inzwischen um sein spielerisches Erbe kümmert. Es blieb zwar sein einziges „Spiel des Jahres“, für GUTE FREUNDE (1989) gewann er den ersten Sonderpreis „Kinderspiel“, was er mit LEINEN LOS! 1997 noch einmal wiederholte. INKOGNITO (1988) und VENICE CONNECTION (1996) bescherten ihm den Sonderpreis „Schönes Spiel“.
In den 90er Jahren arbeitete Randolph eng mit Johann Rüttinger zusammen, der auch XE CIAO CIAO … in sein Programm nahm. Posthum veröffentlichten Rüttinger und Kathi Kappler 2012 das lesenswerte Buch Randolphs „Die Sonnenseite. Fragmente aus dem Leben eines Spieleerfinders“.
In seinem 68. Lebensjahr wird der Philosoph unter den Spieleautoren mit dem Göttinger SPATZ ausgezeichnet, außerdem erhält er 1992 einen Sonderpreis für sein Lebenswerk beim Deutschen Spielepreis. Randolph gilt neben Sid Sackson als einer der ersten Spieleautoren, der seine Leidenschaft zum Beruf gemacht hat. Er hat schon in den 70er Jahren dafür gesorgt, dass Autorennamen auf den Schachteln auftauchten.
Das Bild zeigt Alex Randolph mit Hajo Bücken 1993 in Essen bei einer Versteigerung seines Originals von TEMPO KLEINE SCHNECKE.
Samstag, 3. Oktober 2020
RAMPENSAU & TURTELTAUBE
Bekannt wurde der Frankfurter Verlag MeterMorphosen durch „historische" Zollstöcke, mit denen man auch Anno Domini spielen könnte. Seit 2007 vertreibt er auch MEMO-Varianten. Anfangs angelehnt an die Serie GEMISCHTES DOPPEL aus der Süddeutschen Zeitung, wird die Reihe eigenständiger und fällt immer wieder durch kreative Ideen auf.
Das betrifft nicht die Spielidee, die sich ganz ohne Veränderung am klassischen MEMO orientiert, originell sind die Bilder und deren Verwendung. Am besten haben mir bisher die Bildinszenierung Frank Kunerts gefallen, „Kleine Welten“ auf Märklinebene, die er mit pfiffigen KLEINANZEIGEN verknüpft hat.
Im neuesten Projekt RAMPENSAU & TURTELTAUBE arbeiten die 4K des Verlages MeterMorphosen, Knäbe, Koch, Kollmann und Kremer, mit dem Hamburger Typographen und Gestalter Ralf Mauer zusammen, der das Genre der Buchstabenbilder erfunden hat.
Bekannt wurde der 76jährige Mauer 2011 durch Dichterporträts, die er nur aus Buchstaben und Satzzeichen einer spezifischen Schrift treffend und durchaus wiedererkennbar gestaltet hat. Mauer beweist, dass Typographie nicht nur der Textgestaltung und Textvermittlung dient, sondern ganz neue optische Zugänge eröffnet. Er variiert dabei die Größe der Zeichen, verzerrt aber nichts, die Bilder sind so genial, dass man erst beim genauen Hinsehen die Buchstabengrundlage erkennt.
Was Mauer eindrucksvoll mit seinen TYPOETEN gelungen ist, wiederholt er nun mit einem TYPO-ZOO. Da entsteht das Tierporträt eines majestätischen Löwen aus den Zeichen der Cochin Antiqua oder eine Eule aus der Berkeley Oldstyle. MEMOtechnisch müssen den Bildern Wortkarten aus derselben Schrift zugeordnet werden. Leicht wird es dadurch, dass das Lamm ganz unschuldig daherkommt und der Specht nichts gegen einen guten Schluck einzuwenden hat.
Vom Angsthasen bis zur Zeitungsente finden wir so 36 MEMO-Paare in der Verpackung. Spieltechnisch bietet sich uns zwar wieder nur Hausmannskost, gilt es doch ganz simpel dem passenden Tier einen Begriff zuzuordnen oder umgekehrt. Grafisch bietet diese Idee aber einen überraschenden Ansatz, der an alte Figurenalphabete oder an Beispiele der Konkreten Poesie wie des „Fischers Nachtgesang“ von Christian Morgenstern erinnert. Mit RAMPENSAU & TURTELTAUBE überraschen die Macher aus Frankfurt erneut mit einer ganz besonderen gestalterischen MEMO-Fassung, mit er es vielleicht wieder gelingt den Produktpreis FORM vom Bundesverband Kunsthandwerk verliehen zu bekommen. Die KLEINANZEIGEN durften sich im letzten Jahr über dieses Prädikat freuen.
Wertung: Spielerisch nächste Woche wieder, aber immer wieder geschenktauglich
Titel: RAMPENSAU & TURTELTAUBE
Verlag: MeterMorphosen
Grafik: Ralf Mauer
Autor: Ralf Mauer
Spielerzahl: 2 -
Alter: ab 6 Jahren
Spieldauer: ca. 20 Minuten
Preis: ca. 20.- Euro
Spiel 65/ 2020
Freitag, 2. Oktober 2020
MISSISSIPPI QUEEN
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Nominiert für das Spiel des Jahres 1997
Der Mensch denkt, der Fluss lenkt – MISSISSIPPI QUEEN
Einfache Spiele haben, stimmungsvoll aufgemacht, durchaus das Potential zum Spiel des Jahres. Dies hat vor einigen Jahren das Würfelspiel BLUFF bewiesen, das als LÜGENPASCH oder MÄXCHEN bewährte Kneipenspiel.
Das kann 1997 auch für das Raddampfer-Rennen MISSISSIPPI QUEEN gelten. Die Spielidee entspricht dem Papier- und Bleistiftspiel KARORENNEN, das in den 60er Jahren in den USA entwickelt wurde.
Der Spieleautor Werner Hodel hat durch pfiffige Spielmechanismen das ursprüngliche Autorennen aufs Wasser verlegt. Den vielen Windungen des Mississippi folgend, können sich drei bis fünf Kapitäne auf ein Wettrennen auf dem „ol man river“ freuen.
Bei der Steuerung und Bewegung der Raddampfer spielen zwei Schaufelräder in den Würfelpunkten eins bis sechs eine entscheidende Rolle. Das rote Rad legt die Geschwindigkeit fest, das schwarze zeigt den Kohlevorrat an. Nach jedem Spielzug darf die Beschleunigung um einen Punkt verringert oder erhöht werden, größere Beschleunigung oder Abbremsen kostet Kohlepunkte. So ausgestattet, setzt sich jeder Spieler den Unwägbarkeiten des mäandernden Flusses aus.
Hier liegt auch der besondere Reiz des Spiels, denn der Flusslauf wird erst im Laufe des Spiels aus zwölf Teilen zusammengepuzzelt, sodass niemand weiß ob es hinter der Biegung rechts oder links weiter geht. Sobald ein Raddampfer auf dem vordersten Flussteil angekommen ist, entscheidet ein Würfel über den folgenden Flussverlauf.
Wer sich zu weit nach vorn wagt, hat vielleicht plötzlich eine Flussinsel vor seinem Bug und muss schleunigst abbremsen. Vielleicht hat er sich aber auch ins Abseits manövriert, da er nicht mit einer Biegung gerechnet hat. An manchen Stellen warten unterwegs Passagiere, zwei muss jeder Raddampfer aufnehmen, um an der Landungsmole anlegen zu dürfen.
Bis dahin ist aber viel Wasser den Mississippi hinuntergeflossen. Spannende Überholmanöver, sorgenvolle Blicke auf den Kohlevorratz, denn wenn dieser versiegt, ist das Rennen gelaufen, kennzeichnen das spannende Wettrennen über die zwölf Flussabschnitte.
Der Verlag Goldsieber hat das Spiel grafisch und vom Material her überzeugend umgesetzt. Die Regeln sind vorzüglich aufbereitet, sodass Spielanfänger über die „MISSISSIPPI QUEEN- Fahrschule“ ganz schnell in die Spielmechanismen eingeführt werden. Alles Voraussetzungen dafür, dass MISSISSIPPI QUEEN nicht nur auf der Nominierungsliste für das Spiel des jahres 1997 bleibt, sondern alle anderen Kandidaten überrunden und am Ende als „The winner is…“ ausgerufen wird.
Heo
Spieletelegramm:
Titel: MISSISSIPPI QUEEN
Verlag: Goldsieber
Autor: Werner Hodel
Grafik: Franz Vohwinkel
Spielerzahl: 3-5
Alter: ab 10 Jahre
Spieldauer: 45 Minuten
Preis: ca. 55.- DM
Die Rezension erschien 1997 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 8/ 1997 R 122/2020
Zum Spiel und zum Autor:
Werner Hodel ist schon seit den 80er Jahren als Spieleautor unterwegs. Sein Markenzeichen waren die VHS-Verpackungen für seine Spiele, die er in Kleinauflagen über seine Edition Malibu vertrieb. 1986 erschien mit DRIFT ein Vorläufer des späteren „Spiel des Jahres“. Thematisch versetzte er Anfang der 90er Jahre das Autorrennen in einen Flussverlauf. Als RAFTING reichte er diese Idee 1995 beim Hippodice Wettbewerb ein, dort erreichte es den dritten Platz.
Über Wolfgang Lüdtke von TM landete die Idee bei Goldsieber. Die Redaktion dort verlagerte das Spiel thematisch aus Kanada in die USA, von den Flößen zu Raddampfern. Das brachte letztlich den Sieg und auch einen vierten Platz beim Deutschen Spielepreis und die Würdigung der Spielregel mit der Essener Feder.
Danach veröffentlichte Hodel nur noch die Erweiterung THE BLACK ROSE (1998) und ein Spiel im Heft (TRAU DICH!, 2000) in der spielbox. Eine Neuauflage des „Spiel des Jahres“ 1997 erschien 2019 bei Super Meeple.
Das Bild oben zeigt Werner Hodel 2001 in Göttingen mit TRAU DICH!, auf dem unteren Bild ist in einer Vitrine der ESG in Essen 1997 der Prototyp RAFTING zu sehen.
Donnerstag, 1. Oktober 2020
BALANCE-SPIEL
Unweit von Ravensburg liegt Lautenbach im leicht hügeligen Bodensee-Umfeld. Dort gründete der Sozialtherapeut Hans Dackweiler vor genau 50 Jahren eine integrative Lebens- und Arbeitsgemeinschaft zur Betreuung und Vorbereitung von jungen Menschen mit Assistenzbedarf auf die Arbeitswelt.
Dackweilers integratives Konzept des gemeinsamen Wohnens, Lebens und Arbeitens von Menschen erwies sich als erfolgreich. Der Betrieb wuchs, neue Werkstätten kamen hinzu, über 300 Menschen leben und arbeiten heute in Lautenbach.
In der Holzwerkstatt der Lebens- und Arbeitsgemeinschaft Lautenbach e.V. werden Baukastensysteme, Spieleklassiker wie MÄDN und eine Variante von VIER GEWINNT hochwertig gefertigt. Ganz besonders gelungen ist aber ein BALANCE-SPIEL, das etwas an das erfolgreiche BAMBOLEO von Zoch erinnert.
War die Balancescheibe von Jaques Zeimet noch kugelgelagert, nutzen die Lautenbacher einen schwebenden Holzteller. An einem hochwertigen geschwungenen Holzarm, der zu Spielbeginn fest in einer stabilen Bodenplatte verankert wird, hängt eine grüne Holzscheibe an einer Schnur.
15 rote und blaue Buchensteine müssen nun abwechselnd auf der wackligen Scheibe platziert werden, bis die Holzzylinder ins Rutschen geraten. Einen Gewinner gibt es meistens nicht, da der Sturz der schwebenden Steine stets nur einen Verlierer definiert. Wer stapelt, kann länger im Spiel bleiben, da das Setzen der Holzsteine in den Randbereichen schnell zu extremen Ausschlägen führt. Der spezielle Reiz von BAMBOLEO ergab sich aus der besonderen Konstruktion, die extreme Schieflagen zuließ. Die Toleranz beim BALANCE-SPIEL der Lautenbacher ist da deutlich geringer. Wer möchte, kann das Ganze auch als Abbauspiel quasi rückwärts spielen, indem stets ein Stein vom Teller entfernt werden muss.
Was mich an den mitgelieferten Regeln wundert, dass eine Einrichtung, die auf Teamarbeit und Kooperation setzt, nicht eine ebensolche Regel für das Spiel mit einbaut. Denn erst dann wird das BALANCE-SPIEL richtig gut. In dem Moment, in dem gleichzeitig jeweils zwei Steine auf den Schwebeteller gesetzt werden, kann er viel besser austariert werden. Gewicht und Gegengewicht richtig platziert und gut mit dem Partner abgesprochen, lassen viel längere und spannendere Auseinandersetzungen zu.
Im Team macht das BALANCE-SPIEL Kindern und Erwachsenen Spaß. Material und Verarbeitung sind hervorragend. Für das, was geboten wird, ist dieses Produkt aus Lautenbach sogar preiswert.
Wertung: Gerne morgen wieder (mit Team-Hausregel)
Titel: BALANCE-SPIEL
Verlag: Lebens- und Arbeitsgemeinschaft Lautenbach e.V.
Grafik: o.A.
Autor: o.A.
Spielerzahl: 2 - 4
Alter: ab 5 Jahren
Spieldauer: ca. 10 Minuten
Preis: ca. 39.- Euro
Spiel 64/ 2020
(Seite 1 von 1, insgesamt 25 Einträge)